Autobiografie

"Justizmorde im 19. Jahrhundert"

Forster war kein einfacher Bürger. Aber er wurde zum Widerborstigen gemacht durch Schicksalsschläge und die fast dauernde Verfolgung seitens uneinsichtiger staatlicher Organe. Darum gab er seinem Buch den Titel "Justizmorde im 19. Jahrhundert" und den Untertitel "Wahrheitsgetreue Darstellung des fast unglaublich verfolgten Schweizers J. R. Forster - Ein Notschrei an das Volk".1

Als Forster 18 Jahre alt war, starb sein Vater (1871). Um Mutter und Schwester durchzubringen, führte er des Vaters Handel mit Kunsthonig und Latwerge weiter. 1875 ging er Konkurs. Zugleich wurde seine Homosexualität bekannt.

Sofort betätigte er sich aktiv und öffentlich an der Aufklärung über diese ihm "angeborene Naturgabe", indem er sich auf die Schriften von Heinrich Hössli und Karl Heinrich Ulrichs bezog. Das brachte ihm behördliche Verfolgung, denn im Kanton St.Gallen waren homosexuelle Handlungen und Schriften nach Gesetz verboten.

So wanderte Forster 1877 nach Deutschland aus und traf in Friedrichshafen sein Vorbild, den 52jährigen deutschen Juristen und Pionier Karl Heinrich Ulrichs. Zugleich versuchte er sich als Hausierer durchzuschlagen. Doch das misslang. Wenig später eröffnete er im Seefeld (Stadt Zürich) ein neues Geschäft als Heirats- und Arbeitsvermittler nebst der ihm geläufigen Kunsthonig- und Latwerge-Herstellung.

Autobiografie, Seite 60

"Dass ich auch in Zürich einen Liebling hatte, brauche ich kaum zu erwähnen, wohl aber, dass ich dem Studium über urnische Liebe ziemlich oblag, auch viele, recht viele Genossen kennen lernte, nicht nur Zürcher, sondern auch aus anderen Gegenden, hübsch und weniger hübsch geformte, Arme und Reiche, Zivil und Militär, auch einen gar liebenswürdigen Zürcher Polizisten."

1879 kehrte er wieder, zusammen mit einem seiner "Lieblinge", nach St. Gallen zurück, weil ihn die Mutter dazu gedrängt hatte. Er begann dieselben Geschäfte zu betreiben wie in Zürich. Bereits sechs Wochen später jedoch wurde er mitsamt seinem Freund verhaftet. Alles Hab und Gut liessen die Behörden einziehen, auch die persönlichsten Dinge. Die Mutter starb - und nicht einmal zu ihrem Begräbnis wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Prozess 1880 verteidigte er sich unerschrocken mit den Schriften von Hössli und Ulrichs. Das Urteil lautete auf 18 Monate Zuchthaus wegen "Unsittlichkeit, Konkurs und unredlichem Lebenswandel".

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Ernst Ostertag, Januar 2004

Quellenverweise
1

Jakob Rudolf Forster: Justizmorde im 19. Jahrhundert, Wahrheitsgetreue Darstellung des fast unglaublich verfolgten Schweizers J. R. Forster - Ein Notschrei an das Volk. Selbstverlag, Zürich 1898. Von diesem Buch ist im Staatsarchiv des Kantons St. Gallen das einzige noch existierende Exemplar erhalten. Je eine Fotokopie gibt es in der Eidgenössischen Landesbibliothek, Bern und im Schwulenarchiv Schweiz (sas) in Zürich.