Bewunderung für Napoleon

Johann Wolfgang Goethe war es, der Johannes von Müllers im Original französische Rede über Friedrich den Grossen ins Deutsche übersetzte. Mit ihr hatte der Gelehrte seine Bewunderung für Napoleon offen kundgetan.

Diese Bewunderung, die er erst spät, 1806, mit der erwähnten Rede formulierte, war verständlich: Müllers "homosexuelle Neigungen" brachten ihn immer wieder in Gefahr, "seinen Ruf oder gar seine bürgerliche Freiheit zu verlieren".1 Nun aber hatte Frankreich ab dem 21. März 1804 ein neues Strafgesetz erhalten, den "Code Napoléon", in dem sexuelle Verhaltensweisen nicht erwähnt wurden. Es gab also kein Delikt "Sodomie" oder "Päderastie", im Unterschied zu vielen der damaligen deutschsprachigen Länder.

Müller führte ein aussergewöhnlich unstetes Leben, wohl bedingt durch seine Veranlagung,

"die ihn immer wieder in peinliche Situationen brachte und für Erpressung anfällig machte".2

Zuerst studierte er, wie sein Vater, Theologie, setzte sich in Göttingen mit den Gedanken der Aufklärung auseinander und wurde dann in Schaffhausen nicht Pfarrer, sondern Lehrer für Griechisch. Um weiter forschen und schreiben zu können, wirkte er als Privatgelehrter, Hauslehrer, Professor und Bibliothekar in Genf, Bern, Kassel und wiederum Genf, Schaffhausen, Bern, um schliesslich am Hof von Mainz zum Ratgeber des Erzbischofs und Kurfürsten und zum bedeutenden Diplomaten von europäischem Rang aufzusteigen - bis zur Einnahme der Stadt durch die Franzosen 1792.

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Ernst Ostertag, Januar 2005

Quellenverweise
1

Stefan Howald: Tages-Anzeiger, Zürich, 11. Januar 2002.

2

René Specht: Schaffhauser Nachrichten, 3. Januar 2002, zum 250. Geburtstag von Johannes von Müller.