Hartenbergbriefe

Auszüge

Zitat aus einem der Hartenbergbriefe in heutiger Schreibweise1:

"Wien, den 5. August 1802

Ich träumte in der Morgenstunde, deren Träume erfüllt werden. Da lag er neben mir, der Geliebte, der Untrennbare; himmlische Ruhe in den zufriedenen Zügen; hingebeugt, in seine Betrachtung versenkt, seinen Atem trinkend, hütete ich mich ihn aufzurufen. Da dehnte er sich und seine Arme fanden den Freund. Da ging die Sonne auf, der Glanz seiner Augen. Er gab mir einen sanften Verweis über ein paar Stellen meines Briefes von gestern. Und ich behauptete fest ihren Sinn, machte mein Recht evident, wollte nicht mir Verzeihung erküssen. Er, wie gemeiniglich wenn er nicht mehr antworten mag, ergriff stillschweigend den Weg der Gewalt, seinen mächtigen Arm, der unterwirft; worauf dem Unterjochten allerdings nichts bleibt, als ihm seufzend in allem Recht zu geben; das wird immer so sein."

Im Sonderheft "Die Schweiz" (Kreis, 9/1955) wurde unter dem Titel "Absturz" ein Abschnitt aus dem im nächsten Unterkapitel ("Urteil") erwähnten Essai von Willy Stokar publiziert. Darin beschreibt Stokar das Drama um Friedrich oder Fritz von Hartenberg und schliesst mit Auszügen aus einem weiteren Brief Johannes von Müllers an den jungen "Grafen":

"Wie ein Traum, kaum glaubbar ist es mir; wie! Endlich also doch? ihn sehen - haben - für immer - unverstellt - öffentlich - Ewiger! Wie tugendhaft muss ich sein, um das Glück zu verdienen! Schatten der Grossen und Edlen, bei den zärtlichen Tränen, womit ich als Mensch und als Geschichtsschreiber oft euer Andenken gefeiert, Schatten verewigter Liebender, freuet euch, einen Freund soll ich haben! [...] Wer sie zurückrufen könnte, die verlorene Jugend, als lieblich und schön auch ich genannt wurde! Könnte ich nun alles Verschwundene, alles Vernachlässigte sammeln, das Geschenk meiner selbst kostbarer zu machen, [...] dass Louis mich sein würdig finde."

Detail aus dem Hartenbergbrief

Transskript:

"Zweifle nicht, Louis, u. wäre, wie man mir schrieb, zu meinem Verderben ein Plan angelegt - gern will ich nicht mehr seyn, wenn du glaubst, mein Leben sey der Erhaltung nicht mehr werth. Längst einmal schrieb ich's dir; auch den Giftbecher nähm ich dankend aus deiner Hand. Dass ich für dich mein Leben gäbe, ist natürlich, weil es ohne dich mir nichts ist. (U. der Vater hasst den der für den Sohn sterben möchte!)"

Nach oben

Ernst Ostertag, Januar 2005

Quellenverweise
1

André Weibel, Anmerkungen zu Johannes von Müllers Männerliebe, Vortrag, 2004.