1934-1951

Cabaret Cornichon

Essigsaure Wahrheiten zum Zeitgeschehen

"Die Pfeffermühle" war Anstoss und Vorbild, eingeführt von Emigranten, die nicht mehr "draussen", in Deutschland, das sagen durften, was wichtig gewesen wäre als freie und andere Stimme, die es aber trotzdem sagen wollten, weil sie darin ihre Aufgabe sahen: Menschen sollten wachgerüttelt werden. Sie bedienten sich der deutschen Sprache. Sie hatten keine andere.

Das war die Chance. Gleichgesinnte, wache und wach gewordene Schweizer von hier und solche, die von draussen zurückkamen und dort erlebt hatten, was geschah mit der Freiheit des Denkens und Sprechens, sie taten sich zusammen. Ein Schweizerisches Cabaret, in Mundart die brennenden Themen nennend, sodass sie aus eigenem Fühlen und Denken entsprungen schienen und in Sprache fassten, was jede und jeden im Raum bewegte. Das wäre Umsetzung des Vorbildes und Ergänzung der "Pfeffermühle" zugleich.

Die Idee setzte sich durch. Man trat für Freiheit und Menschlichkeit ein wie das Vorbild und war gleichzeitig schweizerisch und volkstümlich. Man war nicht pfefferscharf, dafür essigsauer und manchmal ätzend. Man nannte sich "Cornichon". Die Texte sassen. Sie wurden oft zu Gassenhauern.

Das Cabaret Cornichon war so erfolgreich, dass es nach Krieg und Untergang des Nazi-Reiches noch sechs Jahre weiterlebte. Denn rundum Kritisches blieb nötig, im Inneren wie draussen in der nun ost-west-gespaltenen Welt. Es musste weiterhin vieles hervorgehoben und manchmal aufrüttelnd gesagt, gesungen und plakativ in Szene gesetzt werden.

Im Ensemble gab es herausragende Figuren. Eine davon war der Schauspieler Karl Meier, als "Rolf" Leiter des Homosexuellenzirkels DER KREIS. Er war bei allen über 5000 Einsätzen des Cornichon dabei und prägte den unbeugsamen Willen mit, zensurfrei zu bleiben und auf hohem Niveau zu wirken.

Ernst Ostertag, September 2010