1933-1937

"Die Pfeffermühle"

Protest! Das literarische Cabaret

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen:
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Max N., homosexuell, 1938-1945 im KZ

Es gab andere, die es niemals so weit kommen lassen wollten. Sie protestierten früh und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.

München Anfang 1933. Nur dreieinhalb Wochen vor Hitlers Griff nach dem Kanzleramt. Im literarischen Cabaret "Die Pfeffermühle" sollte Treffendes über Dinge des Alltags besungen und ausgesprochen werden. Die Leute waren zu unterhalten und aufzuheitern. Zwischendurch kam Pfefferscharfes und geisselte die platte Dummheit, die sich immer dreister Macht ergaunerte. Das war die Situation. Und jeder wusste, was gespielt wurde. Man amüsierte sich oder erstickte vor Wut. 

Es waren zwei Lesben, die in der Münchener "Bonbonnière" ihr Cabaret spielten. Die Texte schrieben sie selber. Und ein Homosexueller, Bruder der einen, schrieb mit. Zwei von ihnen waren die ältesten Kinder von Thomas Mann, und der Name des Cabarets stammte von ihm.

Sie exilierten nach Zürich und spielten von dort aus weiter, zogen durchs ganze Land und darüber hinaus ins noch nazifreie Europa. Sie trugen das Erlebnis dessen, was von einer Bühne herab direkt und kompromisslos zu sagen ist, hinein in die Herzen der - nun meist schweizerischen - Zuschauer und ernteten grossen Beifall. Aber auch Pfiffe, Widerstand, Bedrohung und Polizeischutz waren Realität. Das weckte viele. Man wollte Ähnliches erschaffen, dem deutschen ein schweizerisches Pendant zur Seite stellen.

Ernst Ostertag, September 2004, ergänzt September 2010