Klaus Mann

Die "homosexuellen Nazis"

Klaus Mann ging 1933 ins Exil, in ein unstetes, ständig wechselndes. Im August 1934 besuchte er den "Ersten Allunionskongress der Sowjetschriftsteller" in Moskau und kehrte enttäuscht zurück. Im März jenes Jahres war dort die erneute Kriminalisierung der Homosexualität beschlossen worden und der sowjetische "Staatsdichter" Maxim Gorki schrieb dazu in der Prawda vom 23. Mai 1934:

"Während in den Ländern des Faschismus die Homosexualität, welche die Jugend verdirbt, ungestraft agiert, ist sie in dem Lande, wo das Proletariat kühn und mannhaft die Staatsmacht erobert hat, als ein soziales Verbrechen erklärt und wird streng bestraft. [...] Man hat sogar das sarkastische Sprichwort geprägt:

'Rottet die Homosexualität aus - und der Faschismus verschwindet.' "

Klaus Mann schrieb darüber im Dezember 1934 in Prag einen Artikel "Die Linke und das 'Laster' ", um sich zu distanzieren und die Intoleranz auch der sowjetischen totalitären Weltanschauung zu geisseln. Er war nicht allein. Am selben Kongress nahmen auch andere homosexuelle Schriftsteller teil und schrieben ähnlich darüber: André Gide "Retour de l'URSS", Stefan Zweig "Die Welt von gestern", Panaït Istrati "Auf falscher Bahn. Sechzehn Monate in der Sowjetunion". Am Moskauer Kongress war auch Annemarie Schwarzenbach. Sie äusserte sich später ebenso wie Klaus Mann.

In Paris und anderswo übernahmen deutsche Emigrantenkreise die sich so billig anbietende These des homosexuell durchseuchten Nationalsozialismus, um damit auf der einfachsten aller möglichen, der Schiene "moralischer Korrektheit", gegen Hitlers Diktatur zu agieren.

"Als sehr unfein und deplaziert aber musste es empfunden werden, wenn Blätter, die sich mit Vorliebe 'liberal und aufgeklärt' nannten, plötzlich anfingen 'Knabenschänder' zu schreien, wie eine hysterische Pastorengattin."

So Klaus Mann in "Heute und Morgen". Selbst nach dem "Röhm-Putsch" hielten viele weiter an ihrer simplen Vorstellung fest. Das veranlasste Klaus Mann zu Aufsätzen wie den bereits erwähnten "Die Linke und 'das Laster' " und "Woher wir kommen". Im ersteren schrieb er:

"Glaubt man denn immer noch, dass die exklusiv Homosexuellen eine einheitliche Menschenart bilden? Das unglückliche Schlagwort vom 'dritten Geschlecht' hat zu diesem dummen Irrtum beigetragen, in Wahrheit gibt es unter den exklusiv Homosexuellen alle Typen - vom dekadentesten Ästheten bis zum Landsknecht. [...] Das 'Bündische', sagt man, habe stets homoerotischen Charakter, und auf dem 'bündischen' Prinzip basiere der Faschismus. [...] Man erkundige sich doch, ob in proletarischen, linken Jugendbünden dergleichen ausgeschlossen war - die Antwort wird den überraschen, der die Homosexualität für eine Eigenart des Faschismus hält. [...] Man ist im Begriffe, aus 'dem' Homosexuellen den Sündenbock zu machen - 'den' Juden der Antifaschisten. Das ist abscheulich. Mit ein paar Banditen die erotische Veranlagung gemeinsam zu haben, macht noch nicht zum Banditen."

Und in seinem Aufsatz "Wendepunkt", geschrieben 1942 im Exil in den USA:

"Die einzig aktuelle, einzig relevante Frage ist: Wird aus diesem Krieg eine Welt entstehen, in der Menschen meiner Art leben und wirken können? [...] In einer Welt des gesicherten Friedens und der internationalen Zusammenarbeit wird man uns brauchen; in einer Welt des Chauvinismus, der Dummheit, der Gewalt gäbe es keinen Platz, keine Funktion für uns [...] ich folgte dem Beispiel des entmutigten Humanisten Stefan Zweig …"

Am 21. Mai 1949 folgte er wirklich diesem Beispiel (Zweig hatte sich das Leben genommen) und starb an einer Überdosis von Schlaftabletten.

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Ernst Ostertag, September 2004