Bildungstheater

Zur "Geistigen Landesverteidigung" im erweiterten Sinne gehörten auch Uraufführungen von Stücken schweizerischer und ausländischer Autoren.

Ein Beispiel ist die unvergessliche Uraufführung von Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" vom 9. April 1941. Die Giehse spielte die Hauptrolle und die Söhne der Courage gaben die Emigranten Karl Paryla als Schweizerkas und Wolfgang Langhoff als Eilif.

In der Zeit nach dem Krieg kamen weitere bedeutende Uraufführungen dazu: Unter anderem von Stücken der Dramatiker Cäsar von Arx, Carl Zuckmayer, Jean-Paul Sartre, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt. Die aktive "Verteidigung des freien Geistes" war mit Kriegsende keinesfalls vorüber und Geschichte. Zu Ende ist sie nie. Immer gilt der Kampf gegen blinde Anpassung, gegen Abkapselung und Ausgrenzung und vor allem gegen die Anmassung, andere Menschen in ein bestimmtes, einseitiges System zu zwingen. Den Geist zu selbständigem Hinterfragen befähigen ist eine Aufgabe auch des Theaters, des "Bildungstheaters".

Ganz am Anfang - ein geschickter Schachzug - gründete Oskar Wälterlin die "Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses", womit er eine bürgerliche Stütze erhielt, die unter anderem Angriffe gegen Emigranten, gegen die "jüdisch-marxistische Tendenzbühne" einigermassen neutralisieren konnte.

"In einem Vortrag von 1941 sagte Wälterlin: 'Unser Theater könnte man ein Kultur- und Bildungstheater nennen, weil ihm das Amt anvertraut ist, Gültiges aus früheren Kulturen in unsere lebendige Kultur herüber zu zweigen und unsere Bildung so mit früheren Kulturen zu verbinden.' Das war das heute viel geschmähte Bildungstheater des viel geschmähten Bürgertums."

Peter Löffler

Und dieses Konzept Wälterlins blieb lebendig und bestimmend über die ganze Zeit bis zum 4. April 1961, als ein plötzlicher Tod ihn mitten aus seiner Tätigkeit riss.

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Ernst Ostertag, Oktober 2004