Zusammenarbeit

… fruchtbar bis 1967

Schliesslich entstand doch eine wirklich fruchtbare Zusammenarbeit, indem gewisse Themen und Artikel gegenseitig ausgetauscht und teilweise übersetzt (und gekürzt) in die französische oder schweizerische Zeitschrift aufgenommen wurden. So berichtete Rudolf Jung / Rudolf Burkhardt, Redaktor des englischen Teils, in seiner "Rückschau auf 1960", unter anderem über die Situation in Frankreich nach der parlamentarischen Annahme eines skandalösen Rahmengesetzes mit dem ausdrücklichen Zusatz "Die Regierung ist ermächtigt, alle Massnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Homosexualität zu bekämpfen"1. Er schloss:

"So ist der 18. Juli 1960 ein historisches Datum: Zum ersten Mal seit Napoleon I steht das ominöse Wort 'Homosexualität' in einem französischen juristischen Text. [...]

Seit sieben Jahren erscheint in Frankreich zum ersten Male regelmässig eine homosexuelle Zeitschrift, die Arcadie [...]. Sie hat nun, hellhörig und im Bewusstsein, was hier vielleicht auf dem Spiele steht, im Oktober 1960 eine ausgezeichnete Sondernummer herausgebracht: 'Was wissen wir über Homophilie?', in der die Frage in klugen und wissenschaftlich fundierten Aufsätzen von der ethischen, kulturellen, historischen, medizinischen und juristischen Seite beleuchtet wird.

Dieses umfangreiche Heft (une véritable encyclopédie homophile) wurde dann mit einem Begleitschreiben allen Ministern, den höchsten Staatsbeamten, den Parteivorsitzenden, einflussreichen politischen Persönlichkeiten, den Bischöfen und Erzbischöfen Frankreichs, den Kardinälen der römischen Kurie, den Kirchenführern der anderen Konfessionen, den Rektoren und Dekanen der Universitäten, bekannten Juristen, Pädagogen und Schriftstellern, schliesslich sogar den fremden Gesandtschaften zugesandt. Hut ab vor dieser grossartigen Aktion, die dank der Initiative der 'Arcadie' gestartet worden ist!"

Bei zwei unserer Besuche in Paris, am 17. April 1957 und am 11. April 1966, brachten wir (Röbi Rapp und Ernst Ostertag) im Namen der Redaktion Kreis-Hefte mit zum Club Arcadie, trafen dort André Baudry, und dieser übergab uns Manuskripte für Eugen Laubacher / Charles Welti und Karl Meier / Rolf. Das war billiger und vor allem sicherer als eine Postsendung, die beim Zoll zurückbehalten oder gar beschlagnahmt werden konnte.

Wir wohnten bei einem Abonnenten des Kreis und der Arcadie, André Dalidet (1890-1972), den wir öfter an KREIS-Festlichkeiten in Zürich begleiteten und betreuten. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zu seinem Tod dauerte. André war Mitbegründer des Club Arcadie und früher Direktor der französischen Staatsbahnen SNCF. Auch er, wie andere Abonnenten, betätigte sich als "Paris-Zürich-retour-Postillon".

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Ernst Ostertag, März 2005

Quellenverweise
1

Rudolf Jung unter dem Pseudonym Ernst Ohlmann: Der Kreis: Nr. 1/1961, Seite 1 bis 5