Luzern

... dem Maestro nahe

In Luzern, wo Horowitz zur Kur nach seiner Blinddarmoperation weilte, gab es "ein bis zwei Mal in der Woche eine Lektion."1 Dazwischen hatte Nico an den aufgegebenen Stücken zu üben. Meist tat er das in Luzern auf dem Flügel eines befreundeten Organisten, oft auch im Elternhaus, wohin er gelegentlich zurückkehrte.

"Wenn keine Lektion war, spielte Horowitz Stücke vor, die er besonders liebte. [...] Auch Werke von Schubert, die er meines Wissens nie in Konzerten spielte.

Ein Höhepunkt, was ich natürlich damals nicht realisierte, war, dass er mich aufforderte, mit ihm die vierhändige Fantasie in f-Moll von Schubert zu spielen. Ich war kein allzu schlechter Prima-Vista-Spieler. Je nach Schwierigkeitsgrad wechselten die Hände. Diese Fantasie ist wohl eines der genialsten Stücke Schuberts. Ich war von der Schönheit tief ergriffen. Dazu, wer hatte wohl einmal das Glück, mit Horowitz vierhändig zu spielen? [...]

In dieser Zeit kam Nathan Milstein, sein bester Jugendfreund, nach Luzern. [...] Wir waren oft zusammen. Nun verbrachte ich [...] das Mittagsschläfchen mit Horowitz. Milstein weckte uns einige Male, ins Schlafzimmer tretend, mit einer Paganini-Caprice. Kann es ein schöneres Erwachen geben? [...] Ich verstand mich mit Milstein sehr gut. Er war sehr gesellig, liebte die Frauen, akzeptierte aber die Freundschaft zwischen mir und Horowitz aus genauer früherer Kenntnis."2

Nach Luzern ging Horowitz in Frankreich zu einer weiteren Kur, kam im Juli/August für einige Wochen nach Engelberg, wo er die Nico aufgetragenen Werke abhörte und die Lektionen fortsetzte.

Nach einem zweiten Aufenthalt in Frankreich besuchte Horowitz mit Frau Wanda die Eltern Nicos in Zürich. So wurde der "Schülerstatus" abgesegnet.

Ernst Ostertag, Juni 2006

Quellenverweise
1

Nico Kaufmann: Memoirenfragmente, "Vladimir Horowitz, Idol - Lehrer und Freund", Seite 11

2

Nico Kaufmann: Memoirenfragmente, "Vladimir Horowitz, Idol - Lehrer und Freund", Seite 12