1892-1955

Ernst Penzoldt

Relativ spät veröffentlichte der Kreis einen Nachruf auf Ernst Penzoldt, nämlich im März 1955 - der Dichter war Ende Januar gestorben1. Dabei sind den Abonnenten immer wieder Gedichte und Auszüge aus seinen Büchern oder ganze Novellen vorgestellt worden.

"Auf diesen Seiten edelster deutscher Prosa zittert und jubelt unser Eros in jener 'süssen Bitternis', die Penzoldts Lebensgefühl war und blieb bis in seine letzten Niederschriften."

So äusserte sich Karl Meier / Rolf im Nachruf.

Bereits im Dezember 1943 liess die Redaktion Penzoldts Kurzgeschichte "Novelle in Weiss" erscheinen. Sie handelt von zwei Kameraden der Grossen Armee auf dem Rückzug aus Russland, Winter 1812, und schildert, wie sie, sich gegenseitig helfend, knapp dem Erschöpfungstod im Schnee entkommen, um schliesslich Opfer der nachrückenden Kosaken zu werden. Gemeinsamer Tod zweier Männer, die sich fremd waren und schicksalshaft Freunde wurden. Karl Meier mochte bei der Wahl dieser Geschichte an die damalige Gegenwart gedacht haben, den steten deutschen Rückzug aus Russland - und auch an seinen Lebensgefährten Alfred Brauchli, der mit der Schweizerischen Ärztemission diesen Rückzug erlebt hatte.2

Ein Jahr zuvor füllte Ernst Penzoldts Michelangelo-Novelle "Tommaso Cavalieri" mit den eingestreuten Sonetten des Meisters, welche dieser dem Verehrten und Geliebten zukommen liess, drei Nummern des Menschenrecht3. Dieselbe Novelle erschien ein zweites Mal im Michelangelo-Heft 3/1964 zum 400. Todestag des grossen Künstlers (18. Februar 1564). Ein Bildnis Michelangelos und Wiedergaben seiner Werke dienten zur Illustration. Eine davon zeigt den Heiligen Sebastian aus dem "Jüngsten Gericht" in der Sixtina, weil es gemäss unbewiesener Überlieferung ein Bildnis des schönen Tommaso Cavalieri sei und in der Novelle eine Rolle spiele4.

Im Nachwort5 zur Michelangelo-Novelle schrieb Karl Meier / Rolf unter dem Titel "Über einen Titanen" auch, dass das Gedicht von Ernst Penzoldt "Der Meister"6 seinerzeit dem Kreis zum Abdruck überlassen worden sei. Dieses Gedicht beschreibt anhand einer Jesus-Johannes Skulptur aus dem Süddeutschen Raum (14. Jahrh.) das innige Verhältnis von Meister und Jünger und hebt die sichtlich erotische Beziehung der Darstellungs-Form ins Spirituelle, ins Erlebnis der mystischen Einheit. Dasselbe Gedicht hatte Karl Meier bereits im Nachruf auf Penzoldt erwähnt7. Dort berichtete er auch von einem speziell dazu verfassten Brief, was mich (Ernst Ostertag) nicht erstaunt, denn Karl Meier hat mir einmal Briefe des Dichters gezeigt und im Büro auch zu lesen gegeben. Leider sind sie nirgendwo im Nachlass aufgetaucht.

Im erwähnten Heft vom März 1955, dem Ernst Penzoldt Gedenk-Heft, erschien auch die Novelle "Winckelmann", gefolgt vom Gedicht "Der Engel". Die Novelle schildert den bekannten Mord an Johann Joachim Winckelmann (1768) verändert aber die Fixierung Opfer-Mörder in eine fein gesponnene Beziehung zwischen den beiden. Der gelehrte und angesehene Fremdling mit seiner ausschliesslichen Liebe zu kalten Marmorstatuen wird vom bettelnden Naturburschen und Hirten bewundert, verehrt, heimlich geliebt. Doch wahrgenommen, wie er es hofft, wird der Bursche nicht. Es bleibt ihm nur das Unerreichte, das er schliesslich, erwürgt und marmorgleich kalt geworden, an sich zieht.8

Im August 1955 stellte Johannes Werres / Jack Argo das "letzte Buch und Vermächtnis" Ernst Penzoldts vor, den Roman "Squirrel"9. Er überschrieb diese sehr persönliche Rezension mit "Verliebt in das Leben" und endet mit den Worten "Squirrel ist eine gute Medizin. Und jeder möge ihn auf seine Art anwenden bzw. ablehnen. Er vermag viel und ist darüber hinaus auch noch gute Literatur."

Nochmals eine "Erinnerung an den Dichter Ernst Penzoldt" setzte Karl Meier 1965 in die Zeitschrift10:

"Vor zehn Jahren starb im Januar 1955 der Dichter der Zartheit und des Humors, mit dem wir damals kurz in Verbindung standen und der uns seine vollendet schönenen Verse 'Der Meister' zum Nachdruck überliess. Er gehörte zu den stillen Dichtern, denen keine lauten Sensationserfolge beschieden waren, aber von jenen, die in der geprägten Form und dem Melos des Satzbaues Dichtung erkannten, geliebt wurde."

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Ernst Ostertag, April 2005, Juni 2015

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 3/1955, Seiten 22/23

2

Der Kreis, Nr. 12/1943, Seite 2 ff

3

Menschenrecht, Nr. 5/1942, 6/1942, 7/1942

4

Der Kreis, Nr. 3/1964, Seite 2 ff

5

Der Kreis, Nr. 3/1964, Seite 12

6

Der Kreis, Nr. 4/1952, Seite 8

7

Der Kreis, Nr. 3/1955, Seite 23

8

Der Kreis, Nr. 3/1955, Seite 7 ff und Seite 12

9

Johannes Werres unter dem Pseudonym Jack Argo: Der Kreis, Nr. 8/1955, Seite 4

10

Der Kreis, Nr. 1/1965, S.15