Ein Herz für andere

Eugen Laubacher / Charles Welti war ein sensibler Mensch, der tiefe Verletzungen unter seinem abweisenden und berechnenden Äusseren verbarg. Er hatte dem Asylanten Rudolf Jung / Rudolf Burkhardt, der an gelegentlichen Anfällen von Epilepsie litt, den Aufenthalt ermöglicht, ihm über einen Abonnenten die nötige Arbeitsstelle und -bewilligung verschafft, ihn testamentarisch bedacht und so abgesichert, dass er - anfänglich halbtags - als Redaktor des englischen Teils wirken konnte. Und er sorgte auch dafür, dass die in bescheidenen Verhältnissen lebende Mammina zusammen mit ihrer Lebensgefährtin unter anderem regelmässig zu Ferientagen und Ausflügen kam.

Der ungeliebte Sohn hilft der verbitterten Mutter

Er hatte eine schwierige, herrschsüchtige und auch verbitterte Mutter, die den Bruder immer begünstigte und dem älteren Sohn als Beispiel einer normalen und damit würdigen Existenz vorhielt. Der Bruder heiratete und hatte Kinder von einer "braven Frau". Doch es kam zum Bruch mit der Schwiegermutter, und die "brave Frau" setzte ein totales Hausverbot für die Grossmutter durch.

Da war sie nun allein und besann sich auf den anderen Sohn. Dieser hatte ein Herz und betreute sie vorbildlich. In wenigen Jahren suchte er ihr mindestens sieben Mal eine neue Wohnung und bezahlte alle Auslagen für die Umzüge. Denn jeweils nach kurzer Zeit entstand Unfrieden, und die Mutter lebte in offenem Streit mit fast allen anderen Hausbewohnern, so dass ein erneuter Wechsel die einzige Lösung blieb.

Suizid wegen Eugens Schwulsein

Plötzlich war sie tot. Sie hatte sich das Leben genommen und hinterliess einen Brief an Eugen, in dem sie feststellte, dass sie die Schande, einen sexuell abnormen Sohn zu haben und von ihm abhängig zu sein, nicht mehr länger ertragen könne und deshalb den Freitod wähle.

Das hat mir Karl Meier / Rolf einmal erzählt, weil er mir (Ernst Ostertag) seine besondere Verbindung zu Charles erklären wollte. Charles sei nach dem Tod der Mutter zusammengebrochen und habe nur mit Hilfe einiger Freunde und einer längeren psychologischen Betreuung wieder Tritt fassen können. Im Geschäftsleben hingegen habe er nie von der Mutter gesprochen und völlig normal weiter funktioniert.

Diese Aussagen bestätigte mir eine Freundin von Eugen Laubacher, als ich im November 1999 den Nachlass ordnete. Sie war die einzige "aussenstehende" Person, welche er davon unterrichtet hatte.

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Ernst Ostertag, Januar 2005