1941-1946

Begegnung mit Karl Meier

Mittelsmann Bönisch

Fredi Brauchli war 25 Jahre alt, als er 1941 den 19 Jahre älteren Karl Meier kennenlernte.

"Auf dem Hauptbahnhof Zürich war das. Ich war auf dem Weg zu meinen Eltern. Da sah ich ihn auf dem Bahnsteig stehen und Zeitung lesen. Ich dachte, das ist doch der Meier Karl vom Laientheater in Kradolf, und ich muss ins Nachbardorf1."

Aber er getraute sich nicht, den berühmten Mann anzusprechen. Allerdings stieg er in den selben Waggon und setzte sich in Meiers Nähe, sodass er ihn gut beobachten konnte. Etliche Monate später sah er Karl Meier im Zürcher Restaurant Marconi (Kanonengasse 29, hinter der Kaserne), das damals ein bekannter Treffpunkt von Homosexuellen war2.

Im Marconi war Meier nicht allein. Er war in Begleitung von Hans Bönisch, den Fredi damals nicht kannte3. Dieser bemerkte, wie Karl Meier / Rolf immer wieder den jungen Mann fixierte und wie der junge Mann ebenso oft zu Rolf hinschaute, aber offenbar schüchtern war. Also stand Bönisch auf, ging zu ihm hin und sagte, er solle doch an ihren Tisch kommen.

Später verliessen sie zu dritt das Marconi, und als Bönisch sich verabschiedete, lud Karl Meier die neue Bekanntschaft ins Café Select am Limmatquai 16 ein (heute Restaurant Molino), wo er im obersten Stock desselben Hauses ein geräumiges Zimmer mit WC (ohne Küche und Dusche) bewohnte. Schon wenig später putzte Fredi - typisch für ihn - dieses Zimmer blitzblank und "brachte Ordnung in die Künstlerbude".

Auf der hintersten Seite von Fredis "Dienstbüchlein" (Schweizer Armee) sind Adressänderungen eingetragen. Danach wohnte er ab 3. November 1945 am Limmatquai 16. Unter "Logisgeber" steht Karl Meier. Dies blieb so bis Februar 1949, als Fredi in Liestal (BL) zu arbeiten begann.

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Ernst Ostertag, Februar 2006, ergänzt Mai 2010

Anmerkungen
1

Kradolf, Karl Meiers Heimat, liegt zwei Ortschaften östlich von Bürglen, wo Fredi herkam, dazwischen ist die Gemeinde Sulgen.

2

Ab November 1941 erschienen regelmässig Inserate des Marconi im Menschenrecht und ab 1943 bis Oktober 1949 im Kreis. Auch das Heft gab es dort zu kaufen. Bereits ab 1939 bis Frühjahr 1943 inserierte ebenfalls regelmässig das Restaurant Turnhalle an der Brauerstrasse 30, Zürich 4. In beiden Lokalen gab es Tanzabende, teilweise mit Freinacht, so zum Jahreswechsel, um die Fasnacht, zur Sauserzeit oder Weinlese und an allgemeinen Feiertagen, wozu auch Klausabende am 6. Dezember gehörten. Alte Kameraden erzählten noch oft von der Stimmung und guten Musik in diesen beiden besonderen Restaurants.

3

Bönisch war Chef der Bühnengarderobe im Stadttheater (heute Opernhaus), und Abonnent des Kreis, ein jovialer, liebenswürdiger Mann, der im KREIS Danilo genannt wurde. Ihm war es später zu verdanken, dass für gewisse Auftritte an den grossen Herbst- und Sommerfesten Kostüme aus dem Fundus des Stadttheaters geliehen werden konnten.