1967

Das bittere Ende?

... Editorial von Eugen Laubacher / Charles Welti

"Muss es das bittere Ende sein?", diesen Titel setzte Charles Welti über seinen Leitartikel in der Augustnummer des Kreis und fügte hinzu:1

"Die weitere Herausgabe unserer Zeitschrift ab 1. Januar 1968 ist ernstlich in Frage gestellt!"

Er war daran, aus finanziellen Gründen die Notbremse zu ziehen, wie er es mir (Ernst Ostertag) gegenüber bereits 1960 angetönt hatte, als mit dem Tanzverbot die lukrativen Festanlässe dahinfielen. Seinen Artikel setzte er auch auf Französisch ins selbe Heft "Est-ce la fin, amère et douloureuse?" und Rudolf brachte ihn nochmals "Is the bitter end approaching?". Am Ernst der Lage war nicht mehr zu zweifeln. Einige Abschnitte aus der deutschen Version:

"[...] Der Hauptgrund für diese bedauerliche Wendung liegt im starken Rückgang der Abonnenten [...] heute steht die Zahl von einigen hundert noch aus. [...]

Wir glauben nicht, dass die redaktionelle Gestaltung für den Abonnentenschwund massgebend verantwortlich ist. Dieser scheint viel eher darin begründet zu sein, dass sich die Problematik der Homophilie zufolge der allgemein freieren Lebensführung, vor allem bei der heutigen Jugend, vermindert hat.

Es liegt uns ferne, den Wert unserer Zeitschrift zu überschätzen; sie hat während ihres 35jährigen Bestehens gute, mittelmässige und schlechte Beiträge gebracht. Sie hat aber unbestreitbar eine MISSION erfüllt, sie war das Podium für die Anmeldung und Verteidigung der Lebensrechte unserer Minderheit. Sie hat diesen Auftrag standhaft erfüllt während der düsteren Jahre des Nazismus, als alle anderen Stimmen [...] verstummen mussten.

Dabei stellte die Zeitschrift selbst nur einen Teil der Tätigkeit des KREIS dar, wohl ebenso wichtig waren die umfangreichen Korrespondenzen, welche mit interessierten Personen, Gelehrten und Behörden im In- und Ausland geführt wurden. [...]

Der KREIS als Zeitschrift und als Hilfsorganisation war zweifellos in erster Linie das Werk von ROLF [Karl Meier]. Nur wenige von uns kennen das Ansehen, welches er durch seine Arbeit in unserer Sache weit über die Grenzen unseres Landes hinaus erworben hat. [...]

Damit kommen wir schliesslich noch zu einem menschlichen Problem: Rolf hat vor vielen Jahren eine Tätigkeit ausgeschlagen, die ihm ein sicheres Auskommen bis zum Lebensende garantierte, weil er sonst den KREIS hätte aufgeben müssen. Das Eingehen der Zeitschrift wird ihn daher doppelt treffen ... seelisch und materiell."

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Ernst Ostertag, Januar 2006

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 8/1967, deutsch Seite 1, französisch Seite 27, englisch Seite 29