1967

Es wird wohl das Ende sein ...

Zweites Editorial von Eugen Laubacher / Charles Welti

Für die Oktobernummer schrieb Eugen Laubacher / Charles Welti ein weiteres Editorial, dem er den obigen Titel gab. Er setzte es auch in französisch "Ce sera bien la fin…", und im englischen Teil erschien es als "This seems to be the end…":1

"Vor kurzem trat die Leitung des 'KREIS' zusammen, um die Aussichten für die Weiterführung der Zeitschrift und des ihr angeschlossenen Conti-Clubs in Ruhe und Sachlichkeit zu prüfen."

Diese Überprüfung habe ergeben, dass trotz guten Willens und Spendefreudigkeit, die sich bis jetzt allerdings auf relativ wenige Abonnenten beschränkt habe, die Grundlage zur Weiterführung in keiner Weise erreicht worden sei. Zusammen mit dem ungebremsten Rückgang an Abonnenten (25% seit 1965) müsse für 1968 mit einem Defizit von mindestens 20'000 Franken gerechnet werden. Ausserdem hätten drei der wichtigsten administrativen Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen um ihre Entlassung per Ende Jahr gebeten. Dann zitierte er den Brief eines Lesers:

"Lieber Freund Rolf [Karl Meier]

[...] Die Zeit ist Ihnen vorangeeilt. Wenn Sie auf die 35 Jahre Ihrer Tätigkeit zurückblicken, so werden Sie leicht den Unterschied zwischen damals und heute erkennen. Damals, als Sie begannen, war das Thema 'Homosexualität' in der Literatur noch beinahe tabu. Damals brauchte man noch den Kreis, wenn man etwas darüber wissen wollte. Es ist zum grossen Teil Ihr Verdienst, wenn man das gleiche Thema heute offen und deutlich ausgesprochen findet. [...]

Machen wir uns nichts vor, lieber Rolf. Wer heute literarisch wertvolles Material auf unserem Gebiete lesen will, muss nicht mehr [...] im Kreis suchen. [...] Wohl gibt es ein homophiles Publikum, das den Geschichten und Bildern einen sexuellen Reiz abgewinnen will. Dieses Publikum verlangt kein höheres Niveau; Niveau und Reiz lassen sich schwer vereinbaren. So greift denn jene Klasse von Lesern zu attraktiveren skandinavischen Zeitschriften."

Eugen Laubacher / Charles Welti fuhr weiter:

"Wenn wir trotzdem bis heute durchhalten konnten, so müssen wir dies der Tatsache verdanken, dass uns durch die Herausgabe der Fotobände und dank anderer ausserordentlichen Einnahmen2 Reserven zur Verfügung standen, welche wir sukzessive einsetzen konnten."

Er schloss mit dem Dank an alle Spender und für die "zahlreichen Zeugnisse der Dankbarkeit", die den Kreis in Form von Zuschriften erreicht hätten und appellierte, es sollten möglichst viele zur Jahresversammlung kommen, um

"die Lage in mündlicher Diskussion nochmals zu erwägen. Dabei sei unsererseits schon heute die Bitte ausgesprochen, die Teilnehmer möchten [...] von Anträgen Abstand nehmen, welche nicht von klaren Überlegungen und Berechnungen getragen sind."

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Ernst Ostertag, Januar 2006

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 10/1967, deutsch Seite 1, französisch Seite 21, englisch Seite 14

Anmerkungen
2

aus den grossen Festanlässen der 50er Jahre