Repression

Die gesamtschweizerische Volksabstimmung über das Partnerschaftsgesetz vom 5. Juni 2005 hat eine Mehrheit von 58 Prozent ergeben; ein Novum weltweit und ein grosser Schritt in Richtung auf eine offene und gerechte Gesellschaft mit hoher Lebensqualität für alle, einer Gesellschaft, die auch sexuelle Minderheiten zu akzeptieren bereit ist.

Trotzdem, eine Million Menschen stimmten gegen unsere rechtliche Gleichstellung. Diskriminierungen und die dahinter stehenden Geisteshaltungen bestehen weiter. Das demonstrieren die kompromisslosen Haltungen und Agitationen des Vatikans mit den von ihm beherrschten Bischöfen wie auch die allermeisten evangelikal-fundamentalistischen Gruppierungen und ihre politischen Parteien. Ihre Auslegung der christlichen Tradition ist absolut homophob und verordnet uns "Umpolung" oder zölibatäres Leben. Gemäss medizinischen wie humanwissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen machen diese Zwänge jedoch die meisten Menschen physisch krank und psychisch verkrüppelt.

Die Haltungen und Forderungen dieser Kreise verstärken auch das in vielen Menschen unbewusst vorhandene Gefühl von Distanz gegenüber sexuellen Minderheiten. Damit fördern sie latent vorhandene Homophobie und rechtfertigen schliesslich sogar Hasstaten, die als "gottgefälliges" Tun deklariert werden. Zahlreiche Beispiele dafür gibt es nicht nur in Afrika und den USA. Wenn sich die politische oder/und soziale Lage signifikant verändert, kann es jederzeit und überall wieder zur Repression gegen uns kommen. Als erklärte Sündenböcke taugen wir allemal.

Darum ist der Abschnitt "Repression" in unserer Geschichte vielleicht der wichtigste. Denn er zeigt exemplarisch, wie gewisse Instanzen und einzelne ihrer Führungskräfte eigenmächtig werden können, was eine Dynamik erzeugt, aus der selbst das Recht gebeugt wird. Dies dann, wenn Führungskräfte und Instanzen sich von einer einseitig orientierten, zunehmend dominant werdenden und sich moralisch gerecht wähnenden Mehrheit getragen fühlen. Und all das selbst (oder gerade!) in einer direkten Demokratie.

Ernst Ostertag, September 2005