1960

"Aktion Doppelpunkt"

... die zweite Razzia in Presseberichten

Diese Hoffnung hielt nur wenige Monate hin. Am 15. November schlug die Polizei zunächst um 17 Uhr zu und startete dann um 23 Uhr eine zweite, noch grössere Razzia. Das Ganze lief deswegen unter dem Namen "Doppelpunkt".

"Mit eisernem Besen durch Zürichs 'Milieu' " titelte Der Bund, Bern, seinen Bericht:1

"Wie gemeldet, führte die Stadtpolizei Zürich mit Unterstützung der Kantonspolizei am Dienstagabend um 17 Uhr und um 23 Uhr zwei neue, schlagartig durchgeführte Aktionen gegen die Strichjungen durch.

Nach den am Mittwoch der Presse gegenüber gemachten Ausführungen durch Stadtrat A. Sieber [...] wurde mit einem Einsatz von rund 60 Mann [...] die erste Aktion in drei bekannten Lokalen der Altstadt durchgeführt und dabei 68 Männer und Burschen kontrolliert, von denen 27 auf die Hauptwache genommen wurden. [...]

Für die zweite Aktion [...] wurden insgesamt 271 Mann Uniform- und Zivilmannschaft eingesetzt und 5 Lokale und 2 Anlagen kontrolliert, in denen sich die Strichjungen aufhalten. Bei dieser zweiten Aktion wurden 192 Männer kontrolliert, von denen 75 auf die Hauptwache genommen wurden. [...] Bei beiden Aktionen wurden 26 Polizeifahrzeuge eingesetzt.

Wie Stadtarzt Dr. Nussbaumer erklärte, wurden unter 90 ärztlich Kontrollierten sieben schwere Fälle von Geschlechtskrankheiten gefunden. Die ganze Aktion sei vom psychohygienischen und sozialmedizinischen Standpunkt aus sehr zu begrüssen."

Die NZZ brachte einen ausführlichen Bericht "Aktion 'Doppelpunkt' der Stadtpolizei, zwei Strichjungen-Razzien in Zürich":2

"An einer Pressekonferenz erklärte der Inspektor der Stadtpolizei, Dr. R. Bertschi, man habe das Hauptaugenmerk auf Überraschung und Schnelligkeit gerichtet. Das Vorgehen wurde auch innerhalb der Polizei streng geheim gehalten. [...]

Stadtarzt Dr. Bernhard Nussbaumer wies darauf hin, dass die Aktion 'Punkt' im Sommer die Vermutung bestätigt habe, wonach unter den Homosexuellen, namentlich im homosexuellen 'Milieu', die Geschlechtskrankheiten verhältnismässig häufig seien. [...]

Da im homosexuellen 'Milieu' bekanntlich nicht nur Homosexuelle verkehren und da gerade die an sich normal veranlagten Strichjungen und die Bisexuellen in der Regel sehr triebhaft veranlagt sind, ist die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten unter den Homosexuellen auch eine Ansteckungsquelle für das weibliche Geschlecht. [...]"

Der Blick setzte den grossen Titel "Aktion Doppelpunkt: 102 Verdächtige auf die Wache gebracht", um dann weiterzufahren:3

"Mit einem Grosseinsatz von 271 Funktionären [...] wurden [...] verschiedene Lokale und Strichplätze durchkämmt: der Aktion 'Punkt' vom 1./2. Juli folgte damit am 15. November folgerichtig und sinnig die 'Aktion Doppelpunkt' gegen das Strichjungentum. [...]

Es lohnte auch diesmal die Mühe, sagen die Planer und Ausführer der Aktion: In zwei Etappen wurden 260 Personen kontrolliert, 102 Verdächtige zur näheren Überprüfung auf die Hauptwache gebracht, 69 Personen vom Stadtarzt untersucht und 66 Männer mit homosexuellen Neigungen 'abgestempelt'. [...]

'Halbstarke' blieben diesmal ungeschoren…"

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Ernst Ostertag, Oktober 2005

Quellenverweise
1

Der Bund, 17. November 1960

2

Neue Zürcher Zeitung, 17. November 1960, Abendausgabe, Nr. 4006

3

Blick, 17. November 1960