1963

Razzia "Place Pigalle"

... Zürich: Verdoppelung der Erkrankungen in nur drei Jahren

Im Mai 1967 übernahm der Kreis einen Teil der grossen Reportage "Die Niederdorfstory", welche in der Illustrierten Sie und Er im April desselben Jahres erschienen war.1 Der Titel lautete "Punkt - Doppelpunkt - Place Pigalle":

"Die Zahl der Dirnen ist in Zürich seit 1946 parallel zur Bevölkerungszunahme gewachsen. Das gilt auch für die Homophilen [...] Ein Teil von ihnen trifft sich in bestimmten Lokalen des Niederdorfs. Die meisten bleiben unter ihresgleichen. Sie haben ihren Klub [den Conti-Club seit 1966] mit eigener Zeitschrift, den Dr. Witschi [Sittenpolizei der Stadt Zürich] befürwortet: 'Wir haben einen guten Kontakt mit ihnen und keinerlei Schwierigkeiten. Schliesslich hat es doch keinen Sinn, im 20. Jahrhundert eine Hexenverfolgung gegen Homosexuelle loszulassen!'

Was der Sipo und den übrigen Polizeiorganen unvergleichlich mehr zu schaffen macht, sind die Strichjungen. Wenn sie sich mit den homophilen Freiern um halb eins an der 'Place Pigalle' oder danach am Central zusammentun, scheint ihre Anzahl beängstigend. [...]"

Nun wurden die zwei Aktionen von 1960 kurz geschildert, dann hiess es weiter:

"Im Dezember 1963 entschloss sich die Stadtpolizei erneut zu einer Razzia [im grossen Stil, kleinere gab es immer], diesmal unter dem Banner 'Place Pigalle'.

Grund der Aktion war, wie die Stadtpolizei mitteilte, 'dass sich im besonderen an der Marktgasse auf der sogenannten 'Place Pigalle' jeweils nach der Polizeistunde [damals nach Mitternacht] nach wie vor zahlreiche Strichjungen und Homosexuelle zum Zwecke der gegenseitigen Kontaktnahme aufhalten'. [...]

Am 7. Dezember 1963, um 00.45 Uhr wurden die Zufahrtsstrassen zur 'Place Pigalle' überraschend hermetisch abgeriegelt und alle 138 Personen, die sich hier aufhielten, kontrolliert. 94 verbrachten die Beamten auf den Posten. Erschreckende Erkenntnis: 'Rund 20 Prozent der vom stadtärztlichen Dienst untersuchten 66 Personen leiden an Syphilis oder Gonorrhöe oder sind dieser Krankheiten dringend verdächtigt.' "

Eine Verdoppelung der Prozentzahl innert drei Jahren. Das war die düstere Lage in Zürich. Und sie blieb weiter düster, sonst hätte Karl Meier / Rolf diesem Abschnitt aus der Sie und Er nicht mahnende Sätze an alle Abonnenten beigefügt:2

"Wir möchten damit auch von uns aus die eindringliche Mahnung verbinden: wer nicht in einer festen freundschaftlichen Beziehung lebt, sollte sich unbedingt jedes halbe Jahr von einem Arzt eine Blutprobe machen lassen. Man darf wechselnde Verbindungen nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn Geschlechtskrankheiten sind kein Kinderspiel. Eine frühe Behandlung hilft zur rechten Zeit, während eine verschleppte Krankheit schwere gesundheitliche Schäden hervorrufen kann, die schon mancher bitter bezahlen musste."

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Ernst Ostertag, November 2005

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 5/1967, Seite 10, Zitat aus Sie und Er, 20. April 1967

4

Der Kreis, Nr. 5/1967, Seite 11