1978

Presse-Reaktionen

Verständnisvoll

Die grossen Tageszeitungen reagierten prompt. Aus dem Artikel im Tages-Anzeiger, Zürich, vom 14. November "Heute Dienstag wird eine Petition eingereicht, Abschaffung des Homosexuellen-Registers gefordert":1

"Gemeinsam haben die drei Homosexuellen-Organisationen Anfang dieses Sommers die Petition lanciert und an verschiedenen Plätzen der Stadt Unterschriften gesammelt. Wie ein SOH-Sprecher (Schweizerische Organisation der Homophilen) sagte, hätten viele Leute noch nie von der Existenz eines Homosexuellen-Registers gehört und seien entsprechend empört gewesen [...]

'Die Privatsphäre ist mit dem Homosexuellen-Register [...] nicht geschützt', meinte ein Vertreter der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich), 'es ist dem Polizeibeamten überlassen, jemanden auf der Strasse anzuhalten und seine Personalien aufzunehmen, und schon ist man im Register drin. [...] Bis jetzt ist das Register bloss ein Druckmittel gegen eine schutzlose Minderheit [...].'

Dieser Tage hat Gemeinderat Peter Macher (soz.) eine schriftliche Anfrage eingereicht, in der er Aufschluss darüber verlangt, ob die Stadtpolizei tatsächlich Register über Leute führe, die sich keine strafbaren Verhaltensweisen zuschulden haben kommen lassen, [...]."

In der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) schrieb wiederum die Journalistin Margret Mellert "mm." und liess erkennen, dass sie sehr genau informiert war. Ihr Titel lautete "Der Kampf um die Abschaffung des Homosexuellenregisters, Petition zuhanden des Polizeivorstandes":2

"Die Forderung ist klar. Das Register, in dem Schweizer Bürger einzig und allein deshalb eingetragen werden konnten, weil sie homosexuell sind (oder weil man von ihnen annimmt, dass sie es sind), soll verschwinden. [...] Dass eine Minderheit, die es ohnehin nicht leicht hat in ihrem ständigen Ringen um gesellschaftliche Anerkennung, sich gegen solch karteimässige Etikettierung wehrt, ist verständlich und berechtigt. [...] Ob die Petition den von den Homosexuellen erwünschten Erfolg haben wird, werden sie wohl erst in einigen Wochen erfahren. Teilerfolge haben sie immerhin bereits für ihre Arbeit buchen können, [...]."

Es folgten die wesentlichen Abschnitte des Briefwechsels der SOH mit Kripo-Chef Hubatka und Stadtrat Frick. Dann hiess es im NZZ-Artikel weiter:

"Wie nun Stadtrat Frick auf telefonische Anfrage bekannt gab, habe er nämlich 'vor einiger Zeit' strikte Weisung erteilt, es seien in die Kartei nur noch Personen aufzunehmen, die straffällig geworden seien, und alle anderen Namen seien aus der Kartei zu löschen. [...] Offen bleibt dennoch die Frage, ob für die homosexuellen Straftäter überhaupt ein eigenes Register geführt werden müsse. Ist nicht im einzelnen Kriminalfall die Straftat ein wesentlicheres Etikett als die geschlechtliche Neigung? [...] Mit dieser Frage dürfte sich das Polizeiamt noch auseinanderzusetzen haben."

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Ernst Ostertag, Mai 2007

Quellenverweise
1

Tages-Anzeiger, 14. November 1978, Seite 19

2

NZZ, 15. November 1978, Seite 42