Kommentar

Auswertung

Der Kommentar zu den Meldekarten in den Unterlagen "Bern giggerig" (spezieller Stadtrundgang zur Homosexualität) lautete unter anderem:

"Wenn wir diese kopierten Meldekarten anschauen, wird ziemlich schnell klar, was für ein Bild von Schwulen geherrscht hatte. Zur Registrierung haben unter anderem folgende Kategorien gedient:

[...] Sodomist - und damit wohl zusammenhängend Tierhalter. Im gleichen Zug hat der Beamte auch gerade Dieb oder Räuber ankreuzen können. Der Homosexuelle war offensichtlich vom Kranken zum Kriminellen geworden. Die Polizei ist sich sehr wohl bewusst gewesen, dass diese Fichierung fragwürdig ist und hat im Informationsschreiben darauf hingewiesen:

'[...] müssen die Erhebungen diskret erfolgen.' "

Heute finden sich im Staatsarchiv Bern nur die vollständig anonymisierten Überreste der Meldekarten des Buchstabens B; alle übrigen wurden vernichtet. Aus diesen Überresten einige Beispiele von zusätzlichen Bemerkungen der Polizeibeamten:

"Nach längerem Leugnen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass sich die beiden auf der kleinen Schanze in Bern getroffen hatten und dann in den Allmendingenwald gefahren seien, um dort etwas in homosexueller Richtung zu tun. Eine finanzielle Abmachung sei nicht getroffen worden."

"X und Y wurden anlässlich des Nachtdienstes von Polizist im PW kontrolliert. Beide hatten Hemden und Hosen geöffnet."

"[...] gab unumwunden zu, schwul zu sein und hauptsächlich auf Nordafrikaner zu stehen."

"Besondere Merkmale: weibliche Stimme, trägt Ohrenschmuck, hat [...]"

"Steht offen zu seiner Veranlagung als Homo. Nimmt mit Vorliebe junge Burschen bei sich auf, die in Familie oder Beruf Schwierigkeiten haben. Er 'erzieht und betreut' sie dann offensichtlich auf seine Art und Weise. Bisher keine diesbez. Straftaten nachweisbar."

Viele der Karten haben nichts sonst vermerkt ausser dem Kreuz bei homosexuell.

Aus den Unterlagen von "Bern giggerig" unter dem Punkt "Eine erste Auswertung":

"Viele registrierte Personen haben sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die überwiegende Anzahl der Karten ist Homosexuellen gewidmet ohne irgendwelche weiteren Angaben. Wenn Schwule als Geschädigte Anzeige erstatteten, wurden sie auch gleich registriert.

Von den vorhandenen Karten ausgehend, muss angenommen werden, dass die Registrierung nicht systematisch erfolgte, sondern mehr nach Befindlichkeit der jeweiligen Beamten. Lesben wurde kein kriminelles Potenzial zugetraut, es findet sich kein Eintrag."

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Ernst Ostertag, Juni 2007