1972/1973

Gründung

... und erste Aktivitäten

Die HAB wurden fast fünf Jahre nach dem Ursus Club gegründet, nämlich am 6. Dezember 1972.1 Den Anstoss dazu gab wiederum Rosa von Praunheims Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt", der am 22. Juni 1972 im Berner Kellerkino gezeigt werden konnte, einen Tag nach der Vorführung in Basel. Wiederum organisierte die HAZ den Filmverleih und stellte anlässlich der Diskussion nach dem Film ihren Zabriskie Release vor. Auch in Bern wurde heftig diskutiert und eine Schwulenorganisation gefordert. Bis zur Gründung dauerte es allerdings länger. Dafür stieg die HAB in den 80er-Jahren zur zahlenmässig grössten und mit ihrem HAB-Info auch zur bedeutendsten aller damaligen HA-Gruppen auf.

Für die Gründungsversammlung vom Niklaustag 1972 - sie fand im Berner Kornhauskeller statt - hatte der Jus-Student Urs D. Büttikofer eine Gründungsurkunde und einen Statutenentwurf verfasst.2 Beides wurde einstimmig angenommen. Ein "Sepp" war erster Präsident für rund ein Jahr, dann folgte Urs-D. Büttikofer in diesem Amt bis 1975.3

Die "Statuten des Vereins Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern (HAB)" umfassten 6 Artikel. Die wichtigsten Punkte waren:

Art. 2

Zweck: Förderung der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Art. 3

Mittel: Angestrebt wird von Arbeitsgruppen:

1. Regelmässige Zusammenkünfte

2. Öffentlichkeitsarbeit und Beratungsstellen

3. Organisation von Veranstaltungen, Zusammenarbeit mit ähnlichen Organisationen

Art. 4

Mitgliedschaft: Jedermann kann Mitglied werden. Die Studenten und Altakademiker der HAB sind auch Mitglieder der Arbeitsgruppe Universität Bern

Art. 5

Organisation: Es gibt eine Vollversammlung, die drei Mitglieder in den Vorstand wählt.

Erasmus Walser, bestätigt von Urs-D. Büttikofer, berichtete als Augenzeuge in seiner Vereinsgeschichte der HAB:4

"Von Anbeginn war die Organisationsform verschiedener Aktivitätsgruppen als Vereinskern gedacht. Von Anbeginn gab es auch Richtungs- und Flügelkämpfe [...] Die 'Info-Gruppe', die sich nach dem Rück- und Austritt des ersten Präsidenten Sepp unter der Führung von Hansruedi Huwiler und bald auch Pius Köppel konstituierte"

war offensichtlich die treibende politische Speerspitze.5

"Daneben gab es den Bereich 'Club- und Lokalsuche'. Sie wandelte sich nach der Eröffnung des Lokals Zabi - wie in Basel übernahm man auch in Bern diesen Namen des Zürcher HAZ-Lokals - zur 'Gruppe Clubbetrieb' und 'Bereich Release', der im Lauf der Jahre zahllose 'Selbsterfahrungsgruppen' hervorbrachte. [...] Hansruedi Huwiler erwies sich als wortgewandter und wortgewaltiger Vorkämpfer der lebendigen Utopie für eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und verfügte über ein bestimmtes schwulenemanzipatorisches Charisma. Erfolgreicher noch war für öffentliche Auftritte und die interne Bindung [...] der Gruppen der Psychologe Pius Köppel.

[...] Die Boys der Zabi-Gruppe 'festeten' rauschend und provokativ im Fummel gemeinsam mit nächtlichen Scherzgelagen, sei es nun in Basel, Adelboden, Interlaken, Thun, meist auch noch mit 'Mutproben' wie etwa öffentlichem 'Flitzen'6 im sommerlichen Schwarzsee (FR).

Zur HAB zählten [...] neben den 40% Studenten oder Akademikern [...] zwischen 19 und 26 Jahren auch Mittelschüler, Lehrlinge und junge Berufsleute aus Bau, Gewerbe und Dienstleistung oder Verwaltung [...]."

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Ernst Ostertag, Oktober 2006

Quellenverweise
Anmerkungen
6

'Flitzer' nannte man in den frühen 70er-Jahren Menschen, die splitternackt durch eine stark frequentierte Strasse oder über einen Platz oder eine Brücke rannten, um ebenso plötzlich, wie sie hergekommen waren, wieder zu verschwinden, meist ins Auto von Freunden; das 'Flitzen' geschah, um Leute zu schockieren und es galt als Spass und mutiges 'Happening' zugleich.

1

Das HAB-Archiv wurde erst im Dezember 2007 ins sas überführt. Zuvor lag es im HAB-Begegnungszentrum anderLand und hätte, wie ich bei mehreren Anfragen erfuhr, nur mit grossem Zeitaufwand erforscht werden können. Ich stütze mich daher nebst Arbeiten von Erasmus Walser auf mündliche Aussagen und persönliche Bestände ehemaliger HAB-Mitglieder wie z. B. Urs Büttikofer

2

Erasmus Walser, Unentwegt emanzipatorisch, Vereinsgeschichte 20 Jahre HAB, 1992, Seite 5 und persönliche Mitteilung von Urs Büttikofer vom 8.10. 2006

3

Erasmus Walser, Unentwegt emanzipatorisch, Vereinsgeschichte 20 Jahre HAB, 1992, Seite 6. Dann folgte (nach seinen eigenen Angaben) Urs D. Büttikofer in diesem Amt bis 1975

4

Erasmus Walser, Unentwegt emanzipatorisch, Vereinsgeschichte 20 Jahre HAB, 1992, Seite 6

5

Walser schrieb stets Huwyler, während in den HAZ- und HACH-Protokollen Huwiler verwendet wurde