1973

Podiumsdiskussion

… und ein Zeitungsbericht

Schon während der Vortragsreihe entwickelte sich das Bedürfnis nach einer abschliessenden Veranstaltung mit weiteren Diskussionsmöglichkeiten und, wenn immer möglich, unter Teilnahme aller Referenten. Den Inhalt müssten nach Heini Jung vier Themenkreise bestimmen:

  1. Stellenwert des Sex
  2. Stellenwert in der heutigen Gesellschaft
  3. Scheinliberalisierung
  4. Massnahmen gegen die Scheinliberalisierung

Am Freitag, 6. April 1973 um 20 Uhr fand im Kongresshaus Zürich, grosser Saal, die "Podiumsdiskussion zum Thema Sexualität und Gesellschaft" mit fünf der sechs Referenten der Vortragsreihe sowie Vertretern der HAZ und der FBB (Zürcher Frauenbefreiungsbewegung) statt. Diskussionsleiter war Martin Jäggi.

Im Tages-Anzeiger erschien ein Bericht über diese Veranstaltung. Er trug den Titel "Die Frauen stellten konkrete Forderungen":1

"In einem ersten Teil [...] behandelten die Teilnehmer die Frage, ob und inwiefern die menschliche Sexualität heute noch unterdrückt sei. Dabei wurde festgehalten, das Sexuelle werde schon in der frühen Kindheit verbildet. Die gesellschaftliche Funktion dieser ersten Unterdrückung sei die Anpassung an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, an die Abhängigkeit, den Leistungsdruck usw. Konsequenterweise leide auch die Sexualität der Erwachsenen unter mannigfachen Zwängen. [...]

Sobald man die Praxis betrachte, stosse man überall auf massive Einschränkungen: Lehrer, die sich bei der Aufklärung nicht der dabei gebräuchlichen, für Kinder schwer verständlichen Sprache bedienen, werden entlassen; Gefangene haben überhaupt kein Recht auf das ihnen entsprechende Sexualleben. [...]

Die beiden Sprecherinnen der FBB [...] stellten einen Katalog konkreter Forderungen auf, die auf demokratischem Weg zu erkämpfen wären: Zum Beispiel bessere Aufklärung an den Schulen, offene Propagierung der Verhütungsmittel, Abänderung der Gesetzgebung über die Abtreibung. Auf allen Ebenen wäre ausserdem die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen.

Von anderen Podiumsteilnehmern wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Kampf für Gesetzesänderungen in hervorragendem Masse geeignet sei, die öffentliche Diskussion über diese Fragen in Gang zu bringen. Damit setze eine Bewusstseinsbildung ein, die auch auf anderen Gebieten die Voraussetzung einer wirklichen und wirksamen Emanzipation des Menschen sei."

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Ernst Ostertag, Juni 2006

Quellenverweise
1

Tages-Anzeiger,  9. April 1973