ab 1971/72

Gruppen

Homosexuelle Arbeitsgruppen (HA) entstehen

Private Vorführungen des Fernsehfilms von Rosa von Praunheim "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" wirkten in der Schweiz wie ein Funke: Spontan kam es zur Gründung von Homosexuellen Arbeitsgruppen.

So entstanden 1972 die HAZ in Zürich, die HABS in Basel, die HAB in Bern. In den folgenden Jahren kamen weitere dazu, HASG in St. Gallen und HALU in Luzern. Ein eher lockerer Zusammenschluss mit einer nationalen Dachorganisation war die 1974 gegründete HACH. Später vereinigte sie auch weitere kleine HA-Gruppen. Das Motto der politischen Arbeit war:

"Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot."

"Schwule haben in dieser Gesellschaft nichts zu lachen. Das Tabu der Homosexualität bleibt eine der tragenden Säulen eines Moralgebäudes, das gegen Lust und Entfaltung menschlicher Sexualität schützt."

Die schwulen Studenten kannten natürlich die SOH und das Heft club68, standen aber als Aktivisten der betont linken Gay Liberation in bewusster Distanz oder sogar Ablehnung den "bürgerlichen SOH-lern" gegenüber. Dies zumindest in den ersten Jahren.

Doch es gab auch Realisten unter ihnen, welche die sture Gleichsetzung von Kapitalismus und Homosexuellen-Repression als zu kurz greifende, einseitige Sichtweise bezeichneten. Denn systematische Homosexuellen-Unterdrückung gebe es in der westlichen Welt bewiesenermassen seit Einführung des Christentums (wobei auch Hinweise zu berücksichtigen seien, dass einzelne Stämme und Völker im vorchristlichen Europa ebenfalls Formen der Unterdrückung und Ausmerzung homosexueller Akte praktizierten).

Anders sahen es die Exponenten der SOH:

"Wir sind der Auffassung, dass mit lautstarkem Geschrei, mit Protestveranstaltungen und allenfalls dem Ruf nach gesellschaftlicher Revolution nichts Konstruktives zu erreichen ist. Ganz besonders distanzieren wir uns [...] von jeglichem Trend nach einseitigem oder gar tendenziösem politischen Engagement. Wir betrachten es als falsch, sich an eine bestimmte Partei oder Parteiengruppe anzulehnen in der opportunistischen Hoffnung, mit deren Hilfe schneller ans Ziel zu kommen. Vielmehr halten wir dafür, dass es in unserem demokratischen Staat möglich ist, überall und in allen Kreisen positive Kräfte zu mobilisieren und zu aktivieren. Wir glauben nicht an Radikalrezepte."

Nach oben

Ernst Ostertag, Juli 2006