1989/1990

Mauern brechen: mühsam

Behörden und Polizei

Am 26. Mai 1989 gelangten die HACH an die Erziehungsdirektionen aller 26 Kantone, an Lehrkräfte, Erziehungsfachleute und Eltern mit der Frage, was an Schulen zu tun sei, um gewalttätige Handlungen gegen homosexuelle Mitschüler zu verhindern und welche Vorkehrungen nötig wären, um die grassierende Homophobie bei Jugendlichen zu bekämpfen.

Ein Grund dazu war die Verurteilung von zwei Lehrlingen, die fünf Raubüberfälle auf Schwule verübt hatten mit der Begründung vor Gericht, "alle jungen Leute hassen Schwule".1 Hauptanlass aber war die Hass-Tat in Basel vom 9. April 1989, als kurz vor Mitternacht ein schwuler Mann auf einer öffentlichen Toilette von vier Jugendlichen bedroht, mit Benzin übergossen und angezündet worden war; das Opfer überlebte schwer verletzt und für den Rest seines Lebens gezeichnet.2 Zur gleichen Zeit bot sich die VHELS als Ansprechpartner für die Erziehungsdirektionen an.

Die Auswertung der Antworten war ernüchternd: Gegenüber zwar bedauerlichen, aber nur als Einzelfälle registrierbaren Taten sah keine der angesprochenen Stellen oder Gruppierungen wirklichen Handlungsbedarf. Es geschah nichts. Schwule wehrten sich nun mit Trillerpfeifen, die sie stets bei sich führten, und viele besuchten die von Schwulenorganisationen propagierten oder eigenständig angebotenen Selbstverteidigungskurse.

Zur Debatte stand an der Mitgliederversammlung vom 12. Mai 1990 unter anderem der Fall eines Berner Gymnasiallehrers, der nach üblichem Bewerbungsverfahren nicht an eine freigewordene Stelle gewählt worden war, weil er homosexuell und Mitglied des VHELS und der HAB sei. Wehren konnte man sich nur indirekt:

Erstens wollte die Berner Gruppe von VHELS bei der Kantonspolizei nachfragen, ob bestimmte Fichen über Schwule bestünden, und zweitens sollten die kantonalen Erziehungsdirektionen mit einem der Versammlung vorgelegten, aber nochmals zu überarbeitenden Fragebogen erneut "belästigt" werden, damit sie irgendwann einmal Handlungsbedarf erkennen müssten.

Die Schweizerische Lehrerzeitung vom 6. September 1990 liess ein Werbeinserat für Neumitglieder der VHELS veröffentlichen und in der Rubrik "Leserbriefe" erschien gleichzeitig eine Darstellung der Vereinigung und ihrer Anliegen.3

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Ernst Ostertag, September 2007, April 2018

Quellenverweise
1

Der Bund, 20. Februar 1989

2

Basler Zeitung BZ, 11. und 12. April 1989

3

Schweizerische Lehrerzeitung, 6. September 1990, Heft 18/1990