1986

AHS-Pressekonferenz

...vom 2. Juni

Die Pressekonferenz in Zürich war sehr gut besucht. Es ging um eine Orientierung nach genau einem Jahr seit der AHS (Aids-Hilfe Schweiz)-Gründung. Viele Zusammenfassungen und Artikel erschienen in Zeitungen und Zeitschriften des ganzen Landes. Drei davon wurden hier ausgewählt.

In der Basler Zeitung vom 3. Juni 1986 berichtete Ulrich Goetz unter dem Titel "Ein Lehrstück":1

"In nur einem Jahr hat die Aids-Hilfe Schweiz eine Selbsthilfeorganisation auf die Beine gestellt, die ihresgleichen sucht. In Zusammenarbeit mit den Fachleuten des BAG (Bundesamt für Gesundheitswesen) wurde ein Informationskonzept entworfen und durchgezogen, dem sicher zu einem guten Teil zu verdanken ist, dass die Schweizer Bevölkerung besonnener reagiert hat auf die neue Krankheit, dass hysterische Exzesse, wie sie vorab in den USA zu beklagen sind, bei uns ausblieben. Und die 113 Menschen, die bis jetzt in der Schweiz [...] erkrankten, konnten und können auf verständnisvolle Hilfe zählen [...].

[...] Zu erkranken, das bedeutete bis jetzt für 50 der 113 [...] Patienten einen langsamen, qualvollen Tod in Etappen [...], der umso grausamer erscheint, als er meist noch junge Menschen heimsucht. Dass sie nicht allein gelassen werden, dass sich für die Pflege und Betreuung von Aids-Patienten mehr Leute melden, als tatsächlich gebraucht werden, wie Doris Frank von der Aids-Beratung des Basler Kantonsspitals glaubhaft versichert, ist gut zu wissen. [...]"

Marcel Ulmann informierte die Leser im SOH-Info vom August 1986 (Zeitschrift der SOH, Schweizerische Organisation der Homophilen). Er setzte den Titel "Aids - ein Jahr später":2

"[...] Was hat die [...] AHS in diesem Jahr bewirkt? Nicht nur haben erstmals in der Geschichte der Schwulen der Schweiz sämtliche Organisationen gemeinsam am gleichen Strick gezogen, [...]. Das Kader der Schwulenorganisationen hat nach und nach in allen grösseren Zentren lokale Aids-Hilfen ins Leben gerufen. [...]

Wenige Länder Europas haben innert derart kurzer Zeit und überraschend unbürokratisch die nötigen Mittel bewilligt, [...]. Seit Anfang April 1986 gestatten vom Bund eingerichtete Büros und festangestellte Mitarbeiter einen konzentrierten Einsatz gegen Aids. […"

Der Tages-Anzeiger, Zürich, berichtete am 3. Juni 1986 mit der Überschrift "Aids-Hilfe zieht positive Bilanz, leiser Optimismus nach einjähriger harter Arbeit". Verfasst war der Artikel von Jörg Aeschbacher:3

"[...] Vor genau einem Jahr hoben die am stärksten mit der Krankheit konfrontierten Schwulenorganisationen in enger Tuchfühlung mit dem BAG in Zürich die Aids-Hilfe Schweiz aus der Taufe - Anlass für die Selbsthilfeorganisation, am Montag, ebenfalls in Zürich, eine erste positive Bilanz zu ziehen.

[...] Auch wenn Ärzte, Betroffene und deren Angehörige und Freunde der Krankheit bisher noch oft weitgehend hilflos gegenüberstehen, sind doch erste, bescheidene positive Entwicklungen zu verzeichnen - nicht unbedingt auf medizinischem Gebiet, aber wenigstens in Sachen Prävention, Information und Hilfe für die Betroffenen.

So sprach etwa André Ratti [...] davon, dass sich das Klima in der Öffentlichkeit zum Besseren gewandelt habe und die Information in den Medien besser geworden sei.

Roger Staub, der im Auftrag des BAG die Aids-Hilfe gesamtschweizerisch koordiniert, wies darauf hin, dass im Anschluss der Verteilaktion einer Broschüre an sämtliche Haushalte im Land etwa 7000 Bestellungen für weiterführendes Informationsmaterial eingegangen seien.

Dies ist in erster Linie das Verdienst der AHS, die [...] ihre Tätigkeit dank der unbürokratischen finanziellen Unterstützung durch den Bund (er stellt während fünf Jahren jährlich 3,5 Millionen Franken zur Verfügung) stark ausbauen konnte. So verfügt die Organisation seit dem 1. April über eine eigene Geschäftsstelle. [...] Daneben sind in der ganzen Schweiz bisher neun regionale Beratungsstellen entstanden. [...]

Dass in Zukunft noch viel Arbeit auf die Aids-Hilfe Gruppen zukommen dürfte, machte Bertino Somaini vom BAG deutlich: Nach wie vor sei jährlich mit einer Verdoppelung der Neuerkrankungen zu rechnen. [...]

Die Aids-Hilfe Gruppen [...] arbeiten weitestgehend ehrenamtlich und unentgeltlich. Dennoch kostet die Arbeit Geld. Das BAG leistet hier, soweit es kann, Unterstützung. Dennoch sei man auf Solidarität und Spenden aus der Bevölkerung angewiesen, der Staat könne nicht alles allein tun. Mit diesen Worten appellierte zum Schluss BAG-Direktor Beat Roos, der eigens nach Zürich gekommen war, um die Wichtigkeit der Aids-Hilfe zu dokumentieren, an die Hilfsbereitschaft der Bürger [...]."

Nach oben

Ernst Ostertag, März 2008

Quellenverweise
1

Ulrich Goetz, Basler Zeitung, 3. Juni 1986, "Ein Lehrstück", unter der Rubrik "Kommentar"

2

Marcel Ulmann, SOH-Info, August 1986, Seite 3, "Aids - ein Jahr später"

3

Jörg Aeschbacher, Tages-Anzeiger, 3. Juni 1986, "Aids-Hilfe zieht positive Bilanz, leiser Optimismus nach einjähriger harter Arbeit"