1997

Anti-Diskriminierung

… in der neuen Bundesverfassung

Am 29. Mai 1997 gaben Pink Cross und LOS (Lesbenorganisation Schweiz) eine Pressekonferenz zu ihrem Anliegen,

"Lesben und Schwule in guter Verfassung".

Am 31. Mai fand eine erste Grossdemonstration zum selben Thema statt: 6000 Personen versammelten sich auf dem Bundesplatz in Bern.

Im Pressespiegel der beiden Organisationen erschien eine Zusammenstellung von Stimmen aus Zeitungen und Zeitschriften. Dort - vor allem in Artikeln vor der Demo - wird ersichtlich, in wie hohem Masse eine solche Aktion weite Kreise sensibilisierte und zum Nachdenken über "Probleme der Anderen" anregte.

Reaktionen vor der Demonstration:

Aus der Basler Zeitung:1

"[...] Die beiden Organisationen begründen ihr Anliegen mit der von ihnen in Auftrag gegebenen Studie 'Toleriertes Unrecht - Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen in der Schweiz'. Diese kommt zum Schluss, dass eine Mehrheit von Schwulen und Lesben mindestens einmal im Leben Opfer von gewalttätigen Angriffen oder von Beschimpfungen sind. Ein Grossteil [...] erhalte wegen ihrer sexuellen Ausrichtung eine oder mehrere Stellen nicht, würden entlassen oder müssten die Stelle wechseln.

[...] Tatsächlich wurde das Anliegen in einem ersten Botschaftsentwurf zur Verfassungsreform auch berücksichtigt: 'In der Ämterkonsultation war der Begriff noch drin', sagte Trechsel. Der Bundesrat habe ihn aber wieder gekippt. [...]"

Der Zürcher Tages-Anzeiger brachte ein Interview, das Peter Haerle mit Barbara Brosi von der LOS (Lesbenorganisation Schweiz) geführt hatte:2

"[...] Brosi: Viel hören wir auch die Aussage 'Was die in ihren eigenen vier Wänden machen, ist uns gleich'…

Haerle: ...aber das spricht doch für eine gewisse Liberalität…

Brosi: …das ist überhaupt nicht Liberalität. Das ist eine Scheintoleranz. Wenn Schwule und Lesben öffentlich zu sich stehen und gleich leben wollen wie andere Leute, dann wird das plötzlich nicht mehr toleriert. Dann sollen sie nach Hause, wo es niemand sieht. [...]

Haerle: Nun fehlt ja gerade die Kategorie der sexuellen Orientierung im Verfassungsentwurf. Geschlecht, Religion, Rasse, Sprache usw. sind dagegen als Kategorien erwähnt.

Brosi: Das erzürnt uns ja eben. [...] Die sexuelle Orientierung ist [...] ein genau so unabänderliches Merkmal wie das Geschlecht oder die Rasse. Indem er die sexuelle Ausrichtung anders behandelt, zeigt der Bundesrat, dass er die Menschenrechte einmal mehr, ein anderes Mal weniger ernst nimmt. Aber die Menschenrechte sind nicht teilbar. Entweder gelten sie für alle oder für niemanden.

Haerle: Was wollen Sie am Samstag den Schweizerinnen und Schweizern auf dem Bundesplatz zeigen?

Brosi: Wir wollen zeigen, dass wir ein Teil von ihnen sind, dass wir nicht am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft stehen. Wir wollen zeigen, dass wir ihre Kinder sind, auch ihre Eltern und Freunde. Wir sind Nachbarinnen und Verkäuferinnen im Migros-Laden - ganz normale Leute. Und wir wollen die gleichen Rechte, nicht nur die gleichen Pflichten. Wir sind es wert, geachtet zu werden."

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Ernst Ostertag, Mai 2008

Quellenverweise
1

Thomas Gubler, Basler Zeitung, 30. April 1997, Seite 9, "Homosexuelle fordern Schutz in der Verfassung"

2

Peter Haerle, Tages-Anzeiger, 30. Mai 1997, Seite 13