1988

Zur Lage

Frühjahr

Im Frühjahr 1988 legte die AG Bundespolitik (Arbeitsgruppe Bundespolitik) als "federführende Politgruppe der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) ein Konzept über das weitere Vorgehen vor".1 Es hiess

"Konzept Öffentlichkeitsarbeit Revision Sexualstrafrechts- und Militärstrafrechtsreform"

und wurde anlässlich der HACH-Delegiertenversammlung (Dachorganisation der Homosexuellen Arbeitsgruppen Schweiz) vom 5. März 1988 zur Annahme empfohlen. Beat Gerber schreibt dazu in seiner Lizentiatsarbeit zur Geschichte der HACH:

"Darin wurde das Schwergewicht für die Phase der Behandlung der Gesetzesrevision im Parlament auf das Lobbying bei einzelnen ParlamentarierInnen und bei den Fraktionen gelegt. Ziel sollte die Einbringung von entsprechenden Anträgen in der vorberatenden Kommission und später im Nationalrat sein.

Auf Anraten von Nationalrat Hansjörg Braunschweig (SP, ZH) [...] versuchte die [...] Arbeitsgruppe Bundespolitik der HACH [...] über bürgerliche Kommissionsmitglieder Einfluss zu nehmen. Man war der Ansicht, dass einem von einem linken Politiker eingebrachten Antrag weniger Aussicht auf Erfolg beschieden sein würde.2

In den Akten findet sich eine Reihe von Briefen an und von NationalrätInnen. Zu einem Treffen im Begegnungszentrum 'Centro' der HAZ kam es schliesslich am 27. April 1988 zwischen Nationalrat Jean-Pierre Bonny (FDP, BE) und Vertretern der AG Bundespolitik.3 Auch an dieser Besprechung erschien ein linker Vorstoss in der Kommission - beispielsweise durch Nationalrat Braunschweig - wenig sinnvoll. Ein Antrag - von bürgerlicher und besonders von weiblicher Seite - würde jedoch 'vermutlich' auf die Unterstützung durch Nationalrat Bonny, den Sprecher der Kommission, zählen können.

Im Protokoll der Besprechung sind auch die 'generellen Bemerkungen' von Interesse: Die HACH sollten immer parteipolitisch neutral auftreten, da andernfalls keine Mehrheiten erhältlich sein würden. Und auch auf das Wort 'schwul' sollte nach aussen hin verzichtet werden, 'da unnötig provokativ'!"

Die knappe Ablehnung im Ständerat (SR) am 18. Juni 1987 trotz des Votums von Carlo Schmid (CVP, AI) war einer der Gründe für die Schaffung der Arbeitsgruppe Bundespolitik. Schmid hatte damals argumentiert, man könne homosexuelle Beziehungen unter Erwachsenen nicht unterschiedlich beurteilen je nachdem, ob sie im Zivilleben oder im Militär geschehen; und sollte die Disziplin gestört sein, gehöre das in jenen Bereich. Dazu erinnerte sich Rolf Trechsel in einer Mail 2008:4

"Für die AG Bundespolitik signalisierte der Vorstoss von SR Carlo Schmid im Ständerat und die eher knappe Ablehnung, dass da etwas zu holen war, weil Schmid auch gesellschaftspolitisch als konservativ galt. Wir sind denn auch in den Grundzügen der Argumentation Schmids gefolgt, der als Jurist den Widerspruch des Bundesrates klar herausgearbeitet hat: Wenn es nur ein Disziplinarproblem ist, ist es auch nur im Disziplinarrecht zu regeln. [...] Ohne die AG Bundespolitik wäre der Artikel nicht gestrichen worden, aber ohne Schmids Vorarbeit vielleicht auch nicht…"

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Ernst Ostertag, April 2008

Quellenverweise
1

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) von 1974-1995, Seite 75

2

Protokoll der HACH-Sitzung vom 16. April 1988

3

Protokoll des Treffens vom 27. April 1988

4

In einem Mail an Ernst Ostertag Mail vom 24. April 2008