1981-1983

Vernehmlassung

Nun beschlossen die HACH (Dachverband der Homosexuellen Arbeitsgruppen Schweiz), einen Vernehmlassungs-Bericht zu erstellen. Verfasst wurde er von einigen dafür bestimmten Leuten. Sie stammten aus den in der HACH zusammengeschlossenen regionalen Homosexuellen Arbeitsgruppen inklusive GHOG (Groupe homosexuel de Genève) und GLH (Groupe de Libération Homosexuelle, Lausanne). Der Bericht war 23 Seiten stark. Auch die SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen), koordiniert mit der HACH, erstellte einen Bericht von 14 Seiten. Beide Vernehmlassungsberichte wurden im September 1981 ans Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gesandt. Dazu aus Beat Gerbers Lizentiatsarbeit über die Geschichte der HACH:

"Die Streichung des Art. 194 wurde von den HACH als 'einzig richtiger Weg' begrüsst. Enttäuschend fiel aus ihrer Sicht jedoch der erläuternde Bericht aus. Die HACH hatten vom Bundesrat erwartet, dass er die Gleichstellung nicht nur vorschlage, sondern auch ausführlich begründe.3

Als völlig unannehmbar bezeichnete die HACH die Beibehaltung des Art.157 MStG: 'Zu denken ist vor allem an den Fall, dass ein Wehrmann im Urlaub mit seinem (volljährigen!) Freund schläft und sich dadurch nach MStG strafbar macht. Der Vorschlag der Expertenkommission hat zur Folge, dass während der Dauer des Militärdienstes ein Verhalten strafbar ist, das vorher und nachher unter den genau gleichen Umständen straflos bleibt. Ein Gesetz, das solches zulässt, stimmt nicht.' "1

Nachdem am 10. Oktober 1981 auch die Elternkontaktstelle im Namen von Irma Krieg und A. und R. Ammann eine eigene Vernehmlassung nach Bern geschickt hatte, verfassten Marcel Ulmann und Jürg Wehrli am 28. Oktober eine Pressemitteilung der SOH, "Stellungnahme der Schweizerischen Organisation der Homophilen zum Vorentwurf [...]":

"[...] Die Revision ist dringend, denn nach wie vor werden Gerichtsurteile gefällt, deren Inhalte überholt sind und damit nur Schaden anrichten. Gerade in Bezug auf Homosexualität weist das bestehende Strafgesetz ein höheres Schutzalter (20 Jahre) aus, was diskriminierend und nicht gerechtfertigt ist.

[...] Aus einer freiheitlichen Sicht dürfen nur Tatbestände erfasst werden, die mit Sicherheit, das heisst tatsächlich Schaden anrichten. [...]

  1. Wir begrüssen die Ansicht der Kommission, dass der Bürger prinzipiell in sexuellen Fragen selbst entscheiden soll.
  2. [...] Dem Vorschlag der Kommission, ein einheitliches Schutzalter von 14 Jahren vorzusehen, können wir [...] zustimmen.
  3. Die vorgeschlagene Regelung im Zusammenhang mit Abhängigen von 14 bis 18 Jahren geht eindeutig zu weit. Der Schutz im strafrechtlichen Sinne ist auf den unmittelbaren Familien- und Verwandtenbereich zu begrenzen. Die übrigen Fälle gehören ins Disziplinarrecht.
  4. Die Bestimmungen über Pornographie gehen zu weit und sind mit der Schutzalterskonzeption in Übereinstimmung zu bringen.
  5. Zu begrüssen ist die Streichung von Art. 194 [...].
  6. Art. 157 MStG hingegen ist ein Anachronismus, der zu entfernen ist. Auch hier können wir [...] auf das Disziplinarrecht verweisen.
  7. Die Vorschläge sind [...] auf die Strafart zu überprüfen; in einigen Fällen schlagen wir eine mildere Bestrafung vor (z.B. Schutzalter, Exhibitionismus).
  8. Weiter sind die Vorschläge [...] zu prüfen, inwiefern [...] nicht vermehrt der Antragsmaxime zum Durchbruch verholfen werden soll, insbesondere bei Tatbeständen, denen die gravierenden Elemente der Gewalt, der Nötigung und der Erpressung fehlen.

[...] Der Bürger soll nur dort geschützt werden, wo er Schutz braucht. Eine von oben diktierte Vorstellung über wesentliche Bereiche des Intimlebens und der Privatsphäre müssen wir zurückweisen."

1983 war das Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen. Es zeichnete sich eine Erhöhung des Schutzalters auf 16 Jahre ab. Dazu nahmen die HACH in einem Treffen vom 20./21. August 1983 Stellung und formulierten

"die Streichung der 'Sonderparagraphen für Homosexuelle' und die Festlegung des Schutzalters für beide Geschlechter auf 16 Jahre als ihre Minimalforderungen."2

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Ernst Ostertag, April 2008

Quellenverweise
1

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) von 1974-1995, Seite 73

2

Beat Gerber, Lila ist die Farbe des Regenbogens, Schwestern, die Farbe der Befreiung ist rot. Die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) von 1974-1995, Seite 74

Anmerkungen
3

Das tat der Bundesrat erst nach der Vernehmlassung in seiner Botschaft von Mitte 1985