1958-1967

Repression

1957 wurden knapp hintereinander zwei Homosexuelle durch minderjährige Stricher ermordet. Das Tabu "Homosexualität" war aufgebrochen. Ein hässliches Gesicht kam zum Vorschein: Homosexuelle missachten Sittengesetze und sind kriminell.

Statt sachlich zu berichten steigerten die Medien die beiden Verbrechen zur grossen Sensation und überboten sich mit schrillen homophoben Tönen.

In dieser Atmosphäre entstanden die Umkehr-Urteile in den nachfolgenden Prozessen: Die Opfer wurden zu Tätern diffamiert und ihre Mörder kamen mit milden Strafen davon.

Zugleich entwickelten sich die Presse-Kommentare zur veritablen Hetze mit Forderungen an die Polizei, endlich mit eisernen Besen vorzugehen.

Es kam zur jedes Recht missachtenden Razzien-Routine, indem die Polizei an bekannten Treffpunkten, in Restaurants, Bars, öffentlichen Anlagen und sogar stadtnahen Wäldern willkürlich Verdächtigte aufgriff und zur Kontrolle auf die Posten mitnahm. Dies geschah nicht nur in Zürich, auch in Basel, Bern und an anderen Orten. Hunderte wurden zusammengetrieben und mit ihren Personalien samt Fingerabdrücken registriert: Die berüchtigten Homo-Register füllten sich.

Wegen grassierender Syphilis unter Homosexuellen führte die zürcher Polizei zudem zwangsweise nicht anonyme Bluttests durch.

1960 erliess der Zürcher Stadtrat ein Tanzverbot ausschliesslich für den KREIS in seinem Lokal "Eintracht". Das traf die Organisation empfindlich. Die Grossanlässe fielen weg. Einnahmen und Abonnentenzahlen gingen zurück. Auch die gewöhnlichen regelmässigen Treffen in der "Eintracht" mussten nach wenigen Monaten aufgegeben werden.

Mitte der sechziger Jahre wurden in Dänemark und in den Niederlanden flexiblere Pressegesetze geschaffen, die den Begriff der Pornografie liberaler auslegten. So entstanden neue, deftig geschriebene und freizügig illustrierte Publikationen, viele davon auch in deutscher Sprache, denn der Export war lukrativ. Das bedeutete scharfe Konkurrenz für das "biedere" Heft Der Kreis, das rasch an Boden verlor. 1966 konnte der KREIS zwar ein neues Lokal eröffnen, den Conti-Club, aber das Ende war nicht mehr aufzuhalten.

Der 70-jährige Rolf sah sein Lebenswerk zerstört. Drei Jahre später, 1970 erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb 1974.

Ernst Ostertag, August 2007