Geschichtenerzähler

Bob Steffen war schwul, und er lebte sein Anderssein im prüden Mief der Nachkriegsjahre - also lange vor der sexuellen Revolution - als Selbstverständlichkeit. Bob war kein Vorreiter einer politischen Gay-Bewegung der späten sechziger und siebziger Jahre. Damals war er als reifer Mann geschäftlich erfolgreich und lebte sein Schwulsein gerne in Paris, Amsterdam oder New York aus. Bern oder Zürich waren ihm diesbezüglich zu "eng", wie es Bob formulierte. Zuhause in der Schweiz sorgte er für genug Bewegung im damaligen Bürgertum, indem er seinen Mitmenschen schonungslos vor Augen führte, was viele nicht zu denken wagten. Sein offenherziges Wesen und sein Hang fürs Extravagante waren für die damalige Zeit weder angepasst noch leicht verdaulich. Fragen nach seiner Homosexualität wich Bob nicht aus. Einer Verkäuferin, so lautet eine Anekdote, stellte er die Gegenfrage: "Schlägt Ihr Herz höher, wenn Sie einem schönen Mann begegnen?" "Ja, natürlich", antwortete diese verdutzt. "Sehen Sie, mir geht es ebenso", meinte Bob salopp. Bob redete gerne über seine Amouren. Intime Geständnisse gehörten zu seinen liebsten Anekdoten. Sex hatte immer einen hohen Stellenwert, wissen Weggefährten zu berichten. Bob gab seine Storys mit dem nötigen Schalk in den Augen zum Besten, und offenbarte dabei stets eine Portion Selbstironie hinter der vermeintlichen "Getriebenheit". Vom französischen Kult-Künstler Jean Cocteau war die Rede oder wie er 1952 von der Hollywood-Legende Burt Lancaster anlässlich der Filmaufnahmen zu "Der rote Kosar" in Ischia verführt worden war. Man habe ihm gerne zugehört, auch wenn sich die Geschichten mit der Zeit wiederholten, berichten Zeitzeugen.

Peter Wäch, September 2014 (Recherchen: Veronika Minder)