Newsletter 44

August 2013

Diese Ausgabe enthält folgendes Thema: 

  • Kolumne: Weg eines Emigranten

      

Weg eines Emigranten

eos. Er floh aus Deutschland in eine labile Sicherheit. Er emigrierte aus England in der Hoffnung auf eine sichere Bleibe. Er kam nach Zürich und machte die zweisprachige Zeitschrift Kreis zum einmaligen Magazin mit internationaler Ausstrahlung. Offiziell hiess er Rudolf Jung (1907-1973). Als Redaktor des englischen Kreis-Teils nannte er sich Rudolf Burkhardt.

Siehe Rudolf Jung

Rudolf Jung war ein kauziger Typ. Mit Spässen und Narreteien führte er andere dauernd hinters Licht. Und er arbeitete unheimlich rasch, unglaublich viel, ganze Nächte hindurch. Er brauchte kein Doppelleben zu führen. Er lief auf so vielen Schienen gleichzeitig oder nebeneinander, dass keiner ihm folgen konnte - und war doch auf jeder ganz sich selbst. Und als Schriftsteller, Dichter, Übersetzer verbarg er sich hinter einem guten Dutzend verschiedener Namen und Kürzeln und allen möglichen Kombinationen davon. Viele unterschiedlichste Freunde und Bekannte gehörten in sein unendlich weit geknüpftes Netz. Und jeder von ihnen setzte sich rasch und gern für ein Anliegen ein, wann immer er ihn darum bat, siehe Internationalisierung

Die Einreise in unser Land schaffte er 1955 mit einer festen Arbeitsbewilligung. Die bekam er als Angestellter im Geschäft eines Kreis-Abonnenten. Offiziell war Herr Jung dort über Jahre anstandslos tätig, ein unersetzlicher Spezialist und farbloser Büromensch. Heimlich war Herr Burkhardt aber Redaktor, auch da unersetzlicher Spezialist und zugleich bunt-schillernder Vogel im abgeschirmten Käfig. An beiden Orten galt er als kompetenter Fachmann in allen Bereichen angloamerikanischer Literatur und Kunst. Und seine deutsche Muttersprache beherrschte er zudem meisterhaft. Das ging so zehn Jahre lang. Da begannen - mitten in der Repression gegen Schwule - still und leise fein gefädelte Vorbereitungen: Der §175er-Flüchtling (was offiziell niemand wusste) sollte Schweizerbürger werden. Alles klappte wie am Schnürchen. Jeder kannte seine Rolle und spielte sie perfekt. Ein Jahr später hielt Rudolf Jung einen roten Pass in der Hand, siehe Einbürgerung

In den weiteren Unterkapiteln geben Zeitzeugen noch mehr Einblicke in die spannende Lebensgeschichte von Rudolf Jung und auch in den Alltag der Kreis-Redaktionsstube.

Rudolf starb früh, mit 65. Das sind jetzt 40 Jahre her. Zu seinem Andenken ist die August-Kolumne unseres Newsletters ihm gewidmet. Denn wer das Glück hatte, diesen Menschen kennen zu lernen, der kann und wird ihn nie vergessen.