Newsletter 123

März 2020

Diese Ausgabe enthält folgende Themen:

  • Neuerscheinung: Biografie "Emil Oprecht, Verleger der Exilautoren"
  • Pierre Stutz erhält den Herbert Haag Preis

  

Neuerscheinung: Biografie "Emil Oprecht, Verleger der Exilautoren"

eos. Emil Oprecht (1895-1952) ist für uns kein Unbekannter. schwulengeschichte.ch widmet den Oprechts zwei Kapitel und ein weiteres Bertie Wolf, Emil Oprechts Freund. Im Januar 2020 erschien nun eine wichtige Biografie im Verlag rüffer & rub, Zürich. Autor ist Christoph Dejungs.

In den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stand die entscheidende Frage nach dem Pro oder Contra "Neues Europa" unter Führung der faschistischen oder kommunistischen Ideologien im Schnittpunkt der meisten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussionen. Emil Oprecht war da mitten drin. Er kam aus ideal-kommunistischem Umfeld und ging aus innerstem Bedürfnis einen praktischen, pragmatischen Weg. Das wird in seiner Biografie verdeutlicht und dem Vergessen entrissen. Unsere heutige Gegenwart steht ähnlichen Fragen und Problemen gegenüber. Ist Demokratie noch zeitgemäss oder sind gelenkte Systeme erfolgreicher? Doch es geht nicht um das Erfolgreich-Sein, sondern um die Freiheit des Denkens und um die Menschenwürde. Oprecht ging seinen klaren Weg des Hilfe-Leistens und des Konsens-Schaffens. Das ist in hohem Mass aktuell.

Das erste Kapitel trägt den Titel "Eine Ehe schliessen". Christoph Dejung beendet es mit dem Satz: "Sie (Emil und Emmie, Anm. d. Red.) heirateten im Wissen, ihr Leben, aber nicht das Bett zu teilen: Gerade dafür, nach ihrer schwulen respektive lesbischen Veranlagung leben zu können, lieferte die bürgerliche Ehe gemäss dem Zivilgesetzbuch die beste Garantie." (S. 25) So hatte Emil später den Travestiekünstler und Architekturstudenten Bertie Wolf an seiner Seite und Emmie die Schauspielerin Therese Giehse. Wolf und Giehse waren jüdische Immigranten. Das Grab von Emil und Emmie im Friedhof Zürich-Fluntern befindet sich unmittelbar neben jenem von Therese Giehse. Beide, Emmie und Emil, waren unabhängige, nichtbürgerliche Menschen. Mit feiner Ironie erwähnt Dejung die bürgerliche Ehe als Instrument und Garantie, wie sich homosexuelles Leben institutionalisieren liess in jenen Zeiten der Ächtung und des Tabus.

In seinem Vorwort beginnt der Autor mit einer Aussage, die als Programm des ganzen Buches gelten kann: "Der Verleger Emil Oprecht verkörperte in einer Zeit, in der sich alle bedroht fühlten, die ausstrahlende Zuversicht, dass den grossen Diktatoren die Zukunft streitig gemacht werden könne, und den Willen zu helfen, den er auch in anderen weckte."

Das Buch ist detailreich und dennoch spannend geschrieben. Es gibt nur eines: selber lesen! Der Autor streut die Kurzbiografien der wichtigsten Protagonisten in Sonderabschnitten in den Text und bringt auf grau gefärbten Seiten Anekdotisches, Aussagen von Zeitzeugen, Berichte zur Zeitgeschichte sozusagen als Illustrationen in Worten zu den 29 Bildern, die ebenfalls zur Biografie gehören. Der Anhang besteht aus über 220 Anmerkungen, einer Beschreibung der von Oprecht verlegten Bücher, Hinweise auf andere Bücher und Schriften über den Verleger, transkribierte Briefe wichtiger Persönlichkeiten an Oprecht und aus einem Personenverzeichnis.

Buchbesprechungen erschienen in der NZZ am Sonntag vom 9. Februar 2020 unter dem Titel "Furchtlos gegen Hitler" von Manfred Papst und in der NZZ vom 14. Februar, S. 39 unter dem Titel "Ein Zürcher Ehepaar übt den zivilen Ungehorsam gegen Hitler" von Daniele Muscionico.

Pierre Stutz erhält den Herbert Haag Preis

Pierre Stutz ist Theologe und Autor vieler erfolgreicher Bücher. Er plädiert für eine lebensbejahende Religiosität und eine erotische Spiritualität und stellt mit der Versöhnung von Sexualität und Spiritualität die Homosexualität in den grösseren Rahmen der gegenwärtigen Debatten um eine Korrektur und Erneuerung der kirchlichen Sexualethik. Nach Tätigkeiten als Jugendseelsorger und Dozent am Katechetischen Institut in Luzern legte er 2002 sein Priesteramt in der Diözese Basel nieder und wirkt seither als bekannter spiritueller Begleiter. Pierre Stutz ist verheiratet mit Harald Wess.

Die Herbert Haag Stiftung für Freiheit in der Kirche verleiht den Preis an Personen und Institutionen, die sich durch freie Meinungsäusserung und mutiges Handeln in der Christenheit exponieren. Dieses Jahr wird mit dem Preis die konstruktive Auseinandersetzung mit sexueller Vielfalt ins Zentrum gestellt. (Auszüge aus der Medienmitteilung zur Preisverleihung)

Herbert Haag (1915-2001) war römisch-katholischer Theologe. Der Alttestamentler wirkte von 1960 bis 1980 an der Universität Tübingen und publizierte unter anderem die viel beachtete Studie "'Stört nicht die Liebe' - Die Diskriminierung der Sexualität - Ein Verrat an der Bibel" (1986, mit Katharina Elliger).

Pierre Stutz auf schwulengeschichte.ch

Die Preisverleihung steht unter dem Titel "Gottes Liebe ist bunt" und findet am Sonntag, 29. März 2020 in Luzern statt.
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