Newsletter 147

März 2022

Diese Ausgabe enthält folgende Themen:

  • 50 Jahre HAZ - Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich
  • Zur jüngeren Geschichte der HAZ

50 Jahre HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich)

eos. Das offizielle Gründungsdatum ist der 22. März 1972. Es war die erste Generalversammlung eines bereits bestehenden Vereins, der ein Jahr zuvor entstanden war und sich nun den definitiven Namen gab: "Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich - Zabriskie Point (HAZ - ZABI)".

Zabriskie Point war ein Treff von Studierenden beider Hochschulen, gegründet am 12. Mai 1971. Der Name stammte von einem damaligen Kultfilm. In einem Flugblatt hiess es dazu, das Kontaktforum sei entstanden, um

"homosexuellen Männern und Frauen aller Schichten Gelegenheit zu bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich zu solidarisieren und gemeinsam für die Emanzipation der Homosexualität und der menschlichen Sexualität überhaupt einzutreten; sich selber aus der Ghetto-Subkultur, in der die Homosexuellen zu leben gezwungen sind, zu befreien. […] Obwohl sich unsere Organisation primär als eine Art Schwulen-Gewerkschaft versteht, sind wir für alle Hetero-, Bi-, A-, Pan- etc. -sexuellen offen."

Es gab auch schon vier Arbeitsgruppen: 


  • Selbsterfahrung und Gespräche 

  • ein Drop-in für Menschen mit akuten Problemen 

  • Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit 

  • Führung der Zabriskie Diskothek.

Als Initialzündung wirkte der Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von Rosa von Praunheim. Der Film entstand 1970, hatte im Juli 1971 seine Premiere und ist am 12. März 1972 erstmals in der Schweiz in Zürich gezeigt worden.

Allen war klar, diese perverse Situation muss verschwinden. Allen war ebenso klar, verschwinden wird die Situation erst, wenn wir als Betroffene bereit sind, in die Öffentlichkeit zu gehen. Und das hiess, das allgegenwärtige Tabu Homosexualität muss gebrochen werden. Bei jeder einzelnen Person.

Wer war dazu bereit? Und wann? Noch waren Homosexuelle als Lehrer/Erzieher undenkbar. Undenkbar waren sie auch als Pfarrer und Politiker. Nicht angestellt wurden sie bei der Schweizerischen Post und der SBB und fast allen grossen und kleinen Firmen, wenn ihre "Abartigkeit" bekannt war. Wer in die Öffentlichkeit ging, sich outete, riskierte die berufliche Existenz. Das Wort Outing gab es nicht.

Vereint sind wir stark!

Ein erster HAZ-Slogan hiess: Vereint sind wir stark! Aber erst 1976 gelang ein zaghaftes Zusammenkommen der sich "progressiv" bezeichnenden HA-Gruppen mit der "bürgerlichen" SOH, der Schweizerische Organisation der Homophilen, die seit 1968 bestand und Nachfolgeorganisation des KREIS war.

Zwei Jahre später, am Samstag, 24. Juni 1978 kam es zum mutigen Schritt in die Öffentlichkeit. Gemeinsam führten Mitglieder der Homosexuellen Frauengruppe HFG, der SOH und der HAZ eine Unterschriftensammlung durch. Man/frau hatte einen Stand vor dem Globus an der Zürcher Bahnhofstrasse aufgebaut. Es ging um die Petition zur Abschaffung der stadtpolizeilichen Homo-Register. Überraschend erlebten die erst zögerlich um Unterschriften bittenden Aktiven, dass die Mehrheit der Passanten positiv und zustimmend reagierte. Weit über 5000 trugen sich ein. Anschliessend trafen alle im Platzspitz zusammen und feierten den ersten CSD (Christopher Street Day) in der Schweiz. Ein grosser Schritt war getan. Im Februar 1979 erklärte der Stadtrat die Register offiziell als aufgehoben. Es war der Beginn der schwul-lesbischen Befreiung im ganzen Land.

Zum 30. Jubiläum der HAZ wollte der Vorstand eine Ausstellung über die Geschichte der Organisation realisieren. Daher lud er zu einem Treffen der Mitglieder auf den 30. März 2001. In die Diskussion griffen auch Röbi Rapp und Ernst Ostertag ein und bemerkten, das sei keine gute Idee, denn nur ein Jahr zuvor habe es im Landesmuseum eine ähnliche Ausstellung zum Thema DER KREIS gegeben. Dies im Kulturprogramm der EuroGames von 2000 in Zürich. Die beiden schlugen als Alternative vor, wenn es eine Ausstellung sein müsse, dann eine zur ganzen Geschichte der Lesben und Schwulen in unserem Land. Die Idee blieb an ihnen hängen. Und natürlich auch die enorm grosse Arbeit.

"unverschämt" - 30 Jahre HAZ

So kam es zu "unverschämt - Lesben und Schwule gestern und heute" im Zürcher Stadthaus, jener erfolgreichen Ausstellung, die vom Coming Out Day am 11. Oktober 2002 bis zum 18. Januar 2003 dauerte und zugleich 30 Jahre HAZ feierte. Aus ihr entstand der Wunsch nach einer stets verfügbaren Niederschrift. Zwanzig Jahre später haben wir nun die Website Schwulengeschichte.ch, wie sie sich heute präsentiert. Und sie kann und soll sich ständig weiter entwickeln, wenn mehr als nur einige der vielen Interessierten sie finanziell unterstützen.

Zur jüngeren Geschichte und der momentanen Situation der HAZ berichtet der Geschäftsführer Hannes Rudolph:

Als ich 2014 zu den HAZ stiess, war das 40-Jahre-Jubiläum Geschichte. Der Verein hatte gerade entschieden, seinen Vereinszweck von "gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen" auf "LGBTQ" zu erweitern. 2019 wurde in einer nochmaligen Statutenrevision der Name "HAZ - Queer Zürich" als Gebrauchsname festgelegt (Queer als Sammelbegriff für alle).

Die HAZ erfüllten von Anfang an viele Rollen für die Community, daran hat sich bis heute nichts geändert. Ihr Herz sind die verschiedenen Gruppen: Neben Austauschgruppen und Freizeittreffen für Lesben, Bisexuelle, Schwule, trans Personen, für junge Queers, für Queers, die neu in der Schweiz sind, und für alte Queers gibt es auch Arbeits- und Organisationsgruppen, wie etwa das Team Bibliothek, das OK vom "warmen mai" oder die Redaktion des HAZ-Magazins.

Die psychologische Beratung für Lesben, Schwule, Bi-, Pan- oder Asexuelle (und Menschen, die sich in ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher sind) sowie für trans/non-binäre und questioning Personen ist das einzige Angebot, das die HAZ mit bezahlten, professionellen Kräften sicherstellt. Alles andere, vom Büchereinkauf der Bibliothek bis zum Layout des HAZ-Magazins wird von ehrenamtlich engagierten Queers geleistet.

Politisch engagieren sich die HAZ vor allem in Zürich: Bei Wahlen mit der Plattform regenbogenpolitik.ch, bei Kampagnen oft im Lead des regionalen Teams oder durch Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton.

Regenbogenhaus

In den letzten Jahren brachten die HAZ das bislang grösste Projekt seit ihrer Entstehung auf die Beine: Seit den Nullerjahren gab es die Idee vom "Regenbogenhaus", einem queeren Ort für vielfältige Aktivitäten, Anlaufstelle für alle, die Informationen zu queeren Themen suchen oder Menschen kennenlernen wollen. 2014 initiierten die HAZ die Interessengemeinschaft "Regenbogenhaus" mit zunächst fünf Vereinen. Schnell wuchs die Interessengemeinschaft und im Jahr 2017 wurde daraus ein eigener Verein, mit HAZ-Co-Präsidentin Ulla Blume und HAZ-Geschäftsführer Hannes Rudolph im Vorstand, zusammen mit Menschen, die u.a. im schmaz, beim Schulprojekt GLL, bei Rainbowsport und im Chor Rosa aktiv sind/waren. Nach jahrelanger Arbeit, einem Crowdfunding, das mehr als 100.000 Franken einbrachte und einem Innenausbau wurde das Regenbogenhaus im Mai 2021 in der neuen Zollhausüberbauung eröffnet.

Das bedeutete für die HAZ den Abschied vom Sihlquai 67. Seit 1983 hatten die HAZ dort mit Sekretariat, der Schwubliothek und dem Begegnungszentrum "Centro" ihren Sitz.

Mit dem Umzug ins Regenbogenhaus wurde die Bibliothek aufs ganze Spektrum queerer Themen erweitert und neu konzipiert. Der Katalog wurde archiviert und grosse Teile des Bestandes der Zentralbibliothek Zürich geschenkt, damit diese einzigartige Sammlung erhalten bleibt.

Die neue Bibliothek wird von einem grossen Team Freiwilliger kuratiert und gepflegt. Sie ist gratis und funktioniert mit elektronischer Selbstausleihe. Das Team veranstaltet auch regelmässig Lesungen für Erwachsene und für Kinder.

Jubiläumsfeier

Die Corona-Pandemie hat in den letzten 2 Jahren queere Begegnungen stark eingeschränkt. Viele Veranstaltungen mussten entfallen, einige Gruppen haben diese Zeit nicht überstanden. Auch die für März 2022 geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten "50 Jahre HAZ" mussten in den September verschoben werden. Vom 30. August bis zum 11. September werden die HAZ tun, was ihr Erfolgsrezept ist: Menschen zusammenbringen, um gemeinsam unsere Situation zu verbessern, Kontakte knüpfen, Community geniessen, lernen, diskutieren, zuhören. In Workshops, Gesprächsrunden, auf Podien, mit Kultur, Politik und Begegnung - und natürlich mit einer grossen Party. Einen besonderen Fokus legen die HAZ dabei auf Themen, die innerhalb der Community noch wenig sichtbar sind und Menschen, die die Community noch nicht so gut erreicht, wie etwa Queers mit Behinderung oder Queers of Color.

Die HAZ freuen sich darauf, das Jubiläum mit der ganzen Community zu feiern.