Il maestro

Das Dirigieren erwies sich in Adrianos Leben insgesamt als sehr wackeliges Standbein. Deshalb engagierte er sich in drei weiteren Bereichen, in denen er seine musikalische Leidenschaft entfalten konnte. Ab 1977 baute er ein eigenes Schallplatten- und CD-Label unter dem Namen "Adriano Records" auf. Er präsentierte vor allem Raritäten aus dem Klavier- und Kammermusik-Repertoire (Ottorino Respighi, Joachim Raff, Ernst Pfiffner) sowie eine historische LP mit Franz Schreker als Dirigent und Jack Trommers Soundtrack zum Schweizer Spielfilm "Romeo und Julia auf dem Dorfe". Mit dem Komponisten und Pianisten Jack Trommer (1905-1990) sowie seinem Bruder, dem Regisseur Hans Trommer (1904-1989), blieb Adriano bis zu deren Tod in Freundschaft verbunden. Die wichtigste Musiker-Freundschaft war jedoch jene zu Elsa Respighi (1894-1996), der Witwe Ottorinos; mit ihr gestaltete er 1979 für das Lucerne Festival eine Respighi-Ausstellung zum hundertsten Geburtstag des Komponisten. Johannes Brahms, Ottorino Respighi und Franz Schreker sind Adrianos bevorzugte Komponisten.

Adriano begann schon Ende der sechziger Jahre mit eigenen Kompositionen. Eine Zeitlang unterrichtete ihn der israelisch-schweizerische Komponist Yehoshua Lakner (1924-2003). Am Anfang konnte er zahlreiche Bühnenmusiken für private Theaterproduktionen beisteuern. Hinzu kamen Jingles und Soundtracks für Dokumentar- und Werbefilme. Für ihn bedeutsam waren die "ernsthafteren" Stücke wie die drei Concertini für Klavier, Cembalo und Ondes Martenot (letzteres sinnigerweise mit "Nudités" betitelt), ferner ein Werk für Orgel und Orchester sowie einige Kammermusikstücke. Grösseren Erfolg hatte Adriano mit Bearbeitungen und Orchestrierungen anderer Tonschöpfungen, beispielsweise mit einer Fassung für Kammerensemble von Claude Debussys "Prélude à l'après-midi d'un faune". 2011 gelangten anlässlich eines Konzertes in der Zürcher Zentralbibliothek Originalkompositionen und Bearbeitungen zur Aufführung; mehrere seiner Bearbeitungen wurden in Foyer-Konzerten des Zürcher Opernhauses uraufgeführt.

Als drittes und solides Standbein erwies sich Adrianos Tätigkeit am Zürcher Opernhaus. Von 1985 bis 2010 wirkte er dort als "maestro suggeritore", also als ein "dirigierender Souffleur", der Sängern vom Souffleurkasten aus nicht nur Texte zuflüstert, sondern auch Einsätze gibt. Diese Fähigkeit wurde 1987 eher zufällig bei einem Gastspiel des Zürcher Opernstudios in Riva del Garda entdeckt, als Adriano als Regieassistent wirkte und wo übrigens auch Adrianos alt-italienische Neufassung von Telemanns Opernintermezzo "Pimpinone" uraufgeführt wurde. 1991 bot ihm Intendant Alexander Pereira einen festen Arbeitsvertrag an, denn bisher war er nur als Aushilfs-Souffleur engagiert. Mitunter half er auch als "language coach" mit. Der Erfolg sollte nicht ausbleiben. Auf einem Foto des US-Baritons Rodney Gilfry ist zu lesen:

"To Adriano, my source for knowledge, recordings, history, cues, WORDS and kindness in times of need!"

Der Schauspieler Peter Arens, der in einer Zemlinsky-Oper eine Sprechrolle hatte, schrieb Adriano:

"Ohne Deine traumhaften Einsätze hätte ich die Rolle nie gemeistert!"

Auf der Bühne des Zürcher Opernhauses konnte man Adriano gelegentlich auch in Mimen- und Schauspieler-Nebenrollen sehen. Durch die Theater-Tätigkeit als Souffleur, Sprach-Coach und Lehrer am Internationalen Opernstudio entstanden kollegiale, auch freundschaftliche Beziehungen zu Sängerinnen und Sängern wie Mirella Freni, Mara Zampieri, Eva Mei, José Carreras, José Cura, Neil Shicoff und Nicolai Ghiaurov, zu Dirigenten wie Nello Santi, Marcello Viotti und Serge Baudo sowie zu Regisseuren wie Sven-Erik Bechtolf, Cesare Lievi und Grischa Asagaroff.

Josef Burri, Dezember 2017