Redaktor und Moderator

André Ratti kam 1971 zum Schweizer Fernsehen DRS ins Ressort "Naturwissenschaften, Technik, Medizin". Als Redaktor verantwortete er zuerst das Kulturmagazin "Perspektiven", das sämtliche Themen des Ressorts abdecken sollte. Ratti verlor bald alle Illusionen über den Wert seiner Arbeit, die seiner Meinung nach mit ihrem breiten Themenspektrum "gar nichts auslöste". Er gehörte dann zum Gründungsteam des Magazins "Menschen Technik Wissenschaft" (MTW), das am 8. Januar 1975 startete und über 30 Jahre lang Bestand hatte. In der Deutschschweizer Öffentlichkeit wurde Ratti als angriffiger Moderator des Magazins unglaublich populär. Er gestaltete über 60 eigene MTW-Beiträge und ausserdem mehrteilige Serien wie beispielsweise "Und sie bewegt sich noch..." über die Ökologie unseres Planeten. Für den Dokumentarfilm "Ratten wie Du und ich - Bilder eines Ekeltieres" erhielt Ratti einen Fernsehpreis. Immer wieder griff der Vielleser aktuelle Sachthemen auf, die seiner unkonventionellen Weltanschauung entsprachen: so etwa die eigenartigen Thesen des Psychiaters und Sexualforschers Wilhelm Reich.

Ratti war sehr chaotisch und oft auch gereizt. Mitten in einem Live-Gespräch mit dem Nobelpreisträger Werner Arber fielen ihm die Notizen unter den Tisch, und während er sie am Boden suchte, sprach Arber seelenruhig weiter. Legendär sind Rattis cholerische Ausbrüche im Studio Leutschenbach, wo er gelegentlich wutentbrannt im Gang das Magazin einer Schreckschusspistole leerschoss und einmal nur zu beruhigen war, indem ihm ein Kollege einen vollen Papierkorb über den Kopf stülpte. In seinem letzten Fernsehjahr arbeitete André Ratti als Redaktor und Moderator des Kulturmagazins "Schauplatz".

Peter Kaufmann, November 2014