Opern- und Konzertkarriere

Der Tenor in der Presse war einhellig: Mit Derrik Olsen betrat ein aussergewöhnlicher, frischer Sänger-Interpret die Bühne. Über seine beeindruckende Interpretation und seine starke Bühnenpräsenz in "Tiefland" von Eugène d'Albert schrieb die St. Galler "Volksstimme"1:

"Starkes Profil gab Derrik Olsen dem Bösewicht Sebastiano. Vielleicht gelang ihm am vollkommensten die künstlerische Verschmelzung von Gesang und Spiel, und seine Leistung wirkte einmalig. Maske, Mimik, jede Geste, das ganze Auftreten vermittelten in Verbindung mit seiner prachtvollen gesanglichen Qualität den Eindruck einer ungeheuren Spannung."

Olsen war beides, Sänger und Darsteller, was seinem Naturell, seiner Erscheinung und seinen stimmlichen Möglichkeiten als dramatischer Bass-Bariton entsprach. Über seinen Hang zum Dramatischen bei der Uraufführung der Oper "Leonore 40/45" von Rolf Liebermann schrieb die Schweizerische Musikzeitung:

"Derrick [!] Olsen wusste als Monsieur Emile die Hörer in Atem zu halten, übertrieb aber zuweilen ein wenig die Conférencier-Attitüden."2

Das Rollenstudium fiel ihm ausserordentlich leicht: Wenn Not am Mann war, konnte er eine Partie innerhalb von zwei Tagen lernen und glaubhaft interpretieren. Die Karriere führte ihn vom Grand Théâtre in Genf nach Basel ans dortige Stadttheater (1950 bis 1956) und als Gast in zahlreiche Theater der Schweiz (St. Gallen, Luzern), Deutschlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens (Teatro alla Scala), Spaniens (Gran Teatre del Liceu in Barcelona), Portugals, Griechenlands, Dänemarks und Argentiniens (Teatro Colón). Er sang an den Luzerner Musikfestwochen, den Schwetzinger Festspielen, am Holland Festival, am Flandern Festival und am Maggio Musicale in Florenz.

Die Opernkarriere dauerte von 1946 bis 1970; die Konzerttätigkeit konnte Olsen bis 1988 ausdehnen. Eine frühe Liste mit dem Konzertrepertoire umfasst über 110 Werke. Dokumentiert sind über 110 Rollen auf der Bühne und im Konzertsaal. Er sang in sechs Händel-Opern und -Oratorien und in Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, und er verschmähte auch Verdi ("La Traviata", "La forza del destino", "Rigoletto", "Otello", "Requiem") und Wagner ("Tannhäuser", "Der fliegende Holländer", "Lohengrin", "Siegfried", "Die Meistersinger von Nürnberg", "Parsifal") nicht.

Josef Burri, Juni 2017

1

Ausgabe vom 20.11.1954.

2

Schweiz. Musikzeitung – Revue musicale suisse 5/92 (1952), 223.