Persönlichkeit

Derrik Olsen war eine einnehmende und kulturell vielseitige Persönlichkeit von ausgesuchter Höflichkeit. Er verstand sich mit Menschen jeder Couleur und verbreitete gute Laune. Dank seinem Talent für Sprachen gab es für ihn keine Grenzen zwischen der Deutschschweiz und dem Welschland oder zwischen der Schweiz und den angrenzenden Ländern. Es ist deshalb kein Wunder, dass er einen grossen internationalen Bekannten-, Freundes- und Wirkungskreis hatte.

Zu den Menschen, die ihm nahe standen, gehörte beispielsweise der Dirigent und Mäzen Paul Sacher, der den Duz-Freund Diego bei den erforderlichen medizinischen Eingriffen finanziell unterstützte. Der Schweizer Freundeskreis umfasste nebst vielen anderen die Cembalistin Antoinette Vischer, den Pianisten Nico Kaufmann, den Agronomen Fred Gross, den Publizisten Manuel Gasser, den Juristen Kurt Bänninger und den Arzt Hanspeter Müller. Beruflich und freundschaftlich verbunden war Olsen auch mit seinem französischen Sängerkollegen Bernard Lefort (1965 bis 1968 Direktor der Marseiller Oper, 1974 bis 1982 Direktor des Festivals in Aix-en-Provence und 1980 bis 1982 Direktor der Pariser Oper) und dessen Lebenspartner aus Lausanne. In einer Aufnahme der Oper "Geneviève" des Waadtländer Komponisten Aloys Fornerod aus Cudrefin aus dem Jahre 1952 sind Olsen und Lefort gemeinsam zu hören. Die beiden verband ausserdem ein ähnliches Lebensschicksal: Auch Lefort musste eine vielversprechende Sängerkarriere in der Folge einer schweren Krankheit aufgeben.

Homosexualität spielte in Olsens beruflichem und privatem Umfeld keine auffällige Rolle, wenn auch die meisten der engeren Freunde schwul waren oder von den Neigungen Olsens wussten und sie diskussionslos akzeptierten - damals noch keine Selbstverständlichkeit. In seiner Jugend muss der kultivierte und attraktive junge Mann mehrere Verehrer und einen Liebhaber gehabt haben. Letzterer gründete später in seiner Heimat Tunesien eine Familie und wurde ein erfolgreicher Bauunternehmer. 1963 lernte Olsen in der Zürcher Barfüsser-Bar den zwanzig Jahre jüngeren Rudolf Bärtschi aus dem Kanton Solothurn kennen. Die beiden wurden ein Paar und zogen zusammen. Bärtschi studierte in Zürich zunächst Architektur, dann Volkswirtschaft. Nebenbei besorgte er den gepflegten Haushalt der beiden in Zürich und anschliessend in Oetwil an der Limmat. Bärtschi machte nach dem Einstieg ins Berufsleben eine internationale Bankkarriere und ging mit dem Franzosen Gilles Héberlé eine neue Beziehung ein, wobei alle drei in der Folge eng befreundet blieben und zusammen ein Anwesen in Danjoutin bei Belfort (Frankreich) kauften und bewohnten.

1980 heiratete Derrik Olsen die US-Amerikanerin Marianne Lee Adelmann, geborene Mitchell. Die Motive hinter dieser Heirat wurden nie ganz geklärt: Nach Auffassung von Olsens Cousine Ines Ochsenbein wollte er seiner Frau die Etablierung einer Konzertagentur erleichtern und sie bei deren Aufbau unterstützen. Die beiden haben aber nie zusammen gelebt. Die Trennung erfolgte 1989.

Derrik Olsen war kunstinteressiert und sammelte selbst Kunstwerke seiner Zeit, beispielsweise Serge Poliakoff. Er war äusserst belesen. Zu seinen bevorzugten Autoren gehörten Gottfried Keller, Marcel Proust, Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi, Umberto Eco, Julian Green und Charles F. Ramuz. Er genoss die vielen Reisen und liebte Marokko und Tunesien ebenso wie das Berner Oberland oder die Gegend um den Langensee im Tessin.

1996 musste Olsen den Wohnsitz in Danjoutin (Frankreich) aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Er kehrte in seine Geburtsstadt Bern zurück, und zwar in das Burgerspital der Burgergemeinde am Bubenbergplatz. Dort erlag er am 11. April 1997 einer Krebserkrankung.

Josef Burri, Juni 2017