Trennen

Warum es zur Trennung kam, hatte vermutlich mehrere Gründe. Der Historiker und Sarasin-Spezialist Christian Simon sieht es so: "Die eigentliche Ursache für die Trennung der Grossvettern war weniger Pauls Zuneigung zu einer Frau als vielmehr das unterschiedliche Temperament und die Verschiedenheit der angestrebten Positionierung im gesellschaftlichen, schliesslich auch im wissenschaftlichen Feld."1 Der unterschiedliche Lebensentwurf zeichnete sich schon in einem der an Fritz gerichteten Gedichte aus dem Jahre 1893 ab, worin er das wissenschaftliche Streben seines Freundes als Gefahr für das Liebesglück, ja als existentielle Bedrohung sieht:

So opferst du denn nun dein Leben
Dem hohen, blassen Ideal,
Und nieder kämpft dein heisses Streben
Die innen glüh'nde Liebesqual;

Dein Wissensdrang ist gross zu nennen,
Da du ihm widmest all' dein Thun;
Doch willst du dir's nicht endlich gönnen,
An süssem Busen auszuruhn?

Siehst du am Weg einst eine Blume,
Halt an, bedenke deinen Schritt,
Ob nicht das Jagen nach dem Ruhme
Wird deines Glückes Todesritt.

Paul ging eine nicht standesgemässe Beziehung zu einer Frau ein, die er schlussendlich heiratete, zeugte zwei Kinder, eines davon vor der Eheschliessung. Unter einem Pseudonym publizierte er weiterhin schwärmerische Gedichte über Personen, deren Geschlecht nicht unbedingt als weiblich zu verstehen war, und pries die Schönheit von Epheben. In einem 1893 publizierten Gedicht benennt er die Poesie als seine Göttin mit den Worten: "Der Frauen Liebe ist mir fern geblieben, um ihre Gunst wusst' ich mich nie zu mühn."2 Fritz heiratete nie, pflegte aber Freundschaften, wie Simon bemerkt: "Die Art seiner Freundschaften bleibt uns verborgen - Mutmassungen sind wenig hilfreich."3 Paul und Fritz blieben sich über die Trennung hinaus beruflich und freundschaftlich verbunden.

Josef Burri, April 2016

1

Simon 2015, 106.

2

Paul Sarasin: An die Poesie, in: Sarasin 1893, 38.

3

Simon 2015, 83.