Offen schwul, aber kein Aktivist

In seiner beruflichen Arbeit befasste sich Kurth W. Kocher mehrmals und intensiv mit der Immunschwächekrankheit Aids, die damals noch als Schwulenkrankheit galt: Unter anderem auch in einer internationalen, Aufsehen erregenden Live-Sendung, die vom TV-Sender 3sat ausgestrahlt wurde und in der unter anderem Fachleute aus der Schweiz, aus Deutschland und Österreich mitwirkten. Andrerseits aber fand Kurth keinen Zugang zur politischen Schwulenbewegung, die sich in der Schweiz seit den späten 1960er Jahren stetig weiter entwickelte und zunehmend selbstsicherer wurde.

"Kurth machte kein Geheimnis aus seiner sexuellen Orientierung, wenn man ihn danach fragte",

erzählt Roger Staub. "Er war kein Aktivist, er war aber auch keiner, der sein Schwulsein verheimlichte." In den Basler Jahren verkehrte Kurth W. Kocher viel in Künstler- und Kulturkreisen und im "Daig" der sogenannt besseren Stadtbasler Gesellschaft, in denen schwule Menschen akzeptiert waren und Männerfreundschaften wenig Aufsehen erregten - man sprach meistens gar nicht darüber. Auch beim Schweizer Fernsehen DRS war es nie ein Thema, gab es doch etliche bekannte TV-Mitarbeiter, die schwul waren, auch wenn sie dies der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis gaben. Bis heute weiss Roger Staub aber nicht, ob sein Lebenspartner je mit seinen Familienangehörigen über sein Schwulsein und seine Freundschaften gesprochen hat. Vor allem die Beziehung zur Mutter war wohl während seiner Kindheit und Jugendzeit nicht sehr einfach gewesen. Roger Staub:

"Ich habe sie nie persönlich kennen gelernt. Wenn seine Mutter angerufen hat, haben wir - immer per Sie - miteinander gepläuschelt, bis sie plötzlich nach Kurth gefragt hat."

Peter Kaufmann, August 2015