Trauerrede der Stadtpräsidentin Corine Mauch
Lieber Ernst Ostertag, lieber Giovanni Lanni, liebe Trauergemeinde
Röbi Rapp kennen- und schätzen zu lernen, war mir Ehre und Freude. Gern erinnere ich mich heute an ihn als Stadtpräsidentin - aber auch verbunden in Freundschaft. In einem kleinen Theater in Langnau habe ich Röbi Rapp auf der Bühne erlebt. Seine Augen leuchteten und es war wunderschön zu sehen, wie Röbi noch im hohen Alter beim Singen auflebte und verzauberte.
Die Bühne war Röbis Element und sein Zuhause - für eine professionelle Ausbildung reichte das familiäre Auskommen leider nicht. Als Kinderstar im Film und auf der Bühne aber hat er brilliert. Und später, in den berühmten Veranstaltungen des KREIS in der Eintracht, im heutigen Theater Neumarkt, hat Röbi seine Leidenschaft als Chansonnière ausleben können. Als "Star" hat Ernst seinen Röbi im KREIS kennen gelernt und in ihm die Liebe seines Lebens gefunden. Röbi war ein Star - aber ein bescheidener, zurückhaltender Star mit Bodenhaftung. Nie hat er sich ins Rampenlicht gestellt, und trotzdem war er immer spürbar da. Auch heute scheint mir, ist er im Hintergrund da und hilft uns allen über unseren Verlust hinweg.
Die längste Zeit eurer Beziehung, lieber Ernst, mussten du und Röbi Angst haben, entdeckt, übel behandelt, im schlimmsten Fall verhaftet zu werden. Ihr habt eure Liebe im Verborgenen gelebt. 61 Jahre lang wart ihr füreinander da, einander zugewandt, beständig, unerschütterlich. Und alles was ihr eigentlich wolltet war: Normalität, Anerkennung, Respekt. Zusammenleben, ohne in einem Polizeiregister genannt oder von Presse und Gesellschaft diffamiert zu werden. Aber in Zürich war das zur damaligen Zeit nicht möglich. Als es im Zuge der 1968er-Bewegung möglich wurde, seid ihr hin gestanden, habt euch zu eurer Liebe bekannt, habt euch engagiert. Und ihr wart damit ein Vorbild für viele andere Männer und Frauen.
Erst nach langen Jahren konntet ihr sichtbar werden und habt Anerkennung bekommen. Seit 15 Jahren wart ihr zusammen in Liebe auch mit Giovanni Lanni verbunden.
Als Stadtpräsidentin von Zürich bin ich froh und stolz über den Wandel der Stadt und der Gesellschaft. Als Frau, die ihrerseits seit 25 Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, bin ich dankbar, dass Menschen wie Röbi und Ernst nicht aufgegeben und ihre Liebe gelebt haben.
Dass wir hier im Stadthaus von Zürich gemeinsam Röbi Rapp gedenken, ist kein Zufall. Hier im Stadthaus haben Röbi und Ernst als erste männerliebende Männer im Jahr 2003 ihre Lebensgemeinschaft eintragen lassen. Damals wurde im Kanton Zürich die Eintragung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möglich. Und hier haben sie sich ein zweites Mal das Ja-Wort gegeben, als 2007 ein entsprechendes Bundesgesetz in Kraft trat.
Dieses Haus repräsentiert aber auch Politik und Verwaltung der Stadt Zürich. Und Politik und Verwaltung der Stadt waren es, die in den1950ern und 1960er-Jahren mitverantwortlich waren für die Verfolgung und Ächtung von Homosexuellen in Zürich. Heute bedauern und verurteilen wir die damalige Verfolgung von homosexuellen Menschen zutiefst.
Röbi Rapp war ein aktiver und umtriebiger Mensch. Er war Mitglied in vielen Schwulenvereinen und Schwulenorganisationen - bei Pink Cross, der HAZ, bei Network und im Verein Schwulenarchiv Schweiz. Ernst Ostertag hat die Texte für die Internetseite Schwulengeschichte.ch geschrieben. In sie sind unzählige Erinnerungen auch von Röbi Rapp eingeflossen. Seine und die Geschichte von Ernst sind im Film "Der Kreis" festgehalten, der 2014 erschien. Der Film von Stefan Haupt wurde sowohl mit einem Teddy Award als auch mit vier Schweizer Filmpreisen ausgezeichnet. Das US-amerikanische Magazin The Advocate bezeichnete Röbi Rapp und Ernst Ostertag als Wegbereiter der Schwulenemanzipation und führte sie unter den 25 "Prime Living Legends" auf. In ihrem Buch "Verborgene Liebe" hat Barbara Bosshard dem gemeinsamen Leben von Röbi und Ernst ein eindrückliches Denkmal gesetzt.
Persönlich hat mich an Röbi und Ernst immer sehr beeindruckt, wie positiv und ohne Bitternis sie trotz der schweren Erlebnisse immer geblieben sind. Nun hat sich Röbis Lebenskreis geschlossen.
Ich wünsche euch, lieber Ernst und lieber Giovanni, ein tröstliches Beisammensein mit vielen liebevollen Erinnerungen an Röbi. Wir alle werden ihm ein ehrendes und dankbares Andenken bewahren.
(Es gilt das gesprochene Wort.)