Röbi und die Liebe

Röbi Rapps Vorliebe fürs gleiche Geschlecht konnte nicht verborgen bleiben, schon als 15-Jähriger auch seiner Mutter und seiner Schwester nicht. Doch sie akzeptierten ihn so, wie er war. Nur beständig sollten die Beziehungen sein, und zwar zu "seriösen" Männern. Mit knapp 18 Jahren lernte er den 22 Jahre älteren Emil Lutz kennen. Der Appenzeller, der am Rindermarkt in Zürich einen Lebensmittelladen führte, nahm den jungen Liebhaber unter seine Fittiche und wurde zu seinem Ersatz-Vater. Er unterstützte Röbi im Beruf und half seiner Familie aus, wenn die Not es erforderte.

Lutz führte ihn auch in den KREIS ein. Dort begegnete Röbi 1956 dem gleichaltrigen Ernst Ostertag: Die Sterne funkelten und Schmetterlinge flogen Tag und Nacht. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte. Röbis Ersatz-Vater Lutz förderte die Beziehung der beiden Verliebten und wurde sozusagen deren Pate. Doch Röbi und Ernst wohnten bis 1986, also dreissig Jahre lang, in getrennten Wohnungen, weil Ernst wegen seiner beruflichen Stellung als Lehrer auf strenge Diskretion bedacht sein musste.

Im KREIS arbeiteten die beiden eng zusammen: Röbi als Schauspieler und Interpret, Ernst als Hilfe in der Redaktion und Regieassistent von Karl Meier / Rolf. In den Ferien machten sie ausgedehnte Reisen. Zusammen ging es nach Griechenland, Italien, Spanien und Ägypten und 1958 erstmals nach Stratford-upon-Avon. Mehr als 50 Mal sollten sie dort in der Folge die Aufführungen im Royal Shakespeare Theatre besuchen, wo sie gute Freunde hatten. Asien war 1970 erstmals im Reiseprogramm. Der Osten sollte für beide zu einem wichtigen spirituellen Bezugspunkt werden. Zahllose Reisen führten sie vor allem nach Indien, aber auch nach Thailand, Japan und China.

2003 trat der sehr viel jüngere Giovanni Lanni in ihren Lebenskreis ein, und er blieb für immer. Es war ein Glück für alle drei: Giovanni brachte mit seiner Vorliebe und Fürsorglichkeit für ältere Männer neuen Schwung in die Beziehung und wurde nach Röbis Herzinfarkt im Jahre 2013 unentbehrlich. Denn mit dem Nachlassen seiner Kräfte war Röbi mehr und mehr auf Hilfe angewiesen - Hilfe, die ihm der gleichaltrige Ernst nicht mehr vollumfänglich geben konnte.

Josef Burri, Februar 2018