1992

Sterben im Lighthouse

Anfang Oktober 1992 konnte das neu renovierte Sterbehospiz an der Carmenstrasse eröffnet werden. 17 Betten standen bereit und waren immer rasch wieder belegt, wenn jemand verstarb.

"Wer damals ins Lighthouse kam, wusste, dass er hier sterben würde. Einige starben nach drei Tagen, andere überlebten ein paar Wochen oder sogar Monate",

erzählt Max Wiener.

"Teilweise waren die Kranken in einem elenden Zustand, aber die Solidarität war gross. Kaum ging es einem Patienten ein wenig besser, half er den anderen. Da kam ein hübscher, lustiger Kerl ins Hospiz, den ich aus dem 'Odeon' kannte. Er hatte nur noch drei Wochen zu leben, und ich fragte mich, was ich mit ihm reden sollte. Doch der junge, todkranke Mann tröstete mich: Es sei nicht so schlimm, er habe es ja schön gehabt... Es war eine unglaublich prägende Begegnung."

Der ehemalige Hypnosetherapeut Heiko Sobel betreute und beerdigte in den über zehn Jahren seines Wirkens als "erster Aids-Pfarrer Europas" und später als erster Lighthouse-Leiter einige hundert Aids-Kranke. Schliesslich habe er sich die Frage gestellt: "Wie viel Tod verkraftet ein Mensch? Wie viel Tod verkrafte eigentlich ich?"

Mit dem Zürcher Aids-Pionier, Stiftungspräsidenten und späteren Lighthouse-Leiter Professor Ruedi Lüthy war garantiert, dass die palliative Pflege und die medizinische Behandlung im Lighthouse stets auf dem neuesten Stand waren. Mit dem Aufkommen von neuen Medikamenten veränderte sich auch der Krankheitsverlauf von Aids-Patienten. Max Wiener erinnert sich:

"Wir waren glücklich, als nach einigen Jahren der erste Aids-Kranke dank neuen Therapien heimkehren konnte. Aber immer noch brauchte es viel Überzeugungsarbeit, um die Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung gegen die HIV-Erkrankung und die Aids-Kranken im Lighthouse abzubauen."

Peter Kaufmann, Mai 2016