Newsletter 105
September 2018
Diese Ausgabe enthält folgendes Thema:
- "Röbi Rapp gab seinem Umfeld Halt, weil er seine Homosexualität stets offen lebte." - Unvollständiger Blick in die Medien
"Röbi Rapp gab seinem Umfeld Halt, weil er seine Homosexualität stets offen lebte."
hpw. Am Sonntag, 26. August 2018 verstarb Röbi Rapp im Kreis seiner Geliebten. Die Filmproduktionsfirma Contrast machte seinen Tod am Donnerstag, 31. August 2018 öffentlich und würdigte sein Leben: "Was Rapp mit Ostertag in den 1950er und 1960er Jahren in Bewegung gesetzt hat, ist einzigartig." Kaum war die Meldung publik, strömten die Beileidsbekundungen durch die Social Media. Die Berichterstattung in den klassischen und den Online-Medien war sehr ausgiebig.
So schrieb die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch auf Facebook: "Röbi Rapp war ein engagierter Pionier, der sich unermüdlich für die Gleichstellung und die Anerkennung der Lebensweise der LGBTI eingesetzt hat. Er hat grossen Anteil an den heutigen Errungenschaften. Die LGBTI-Community verdankt ihm viel. Ich hatte die Freude und die Ehre, Röbi Rapp persönlich kennenzulernen. Er war ein einfühlsamer, talentierter und überaus liebenswürdiger Mensch, der mir und Zürich fehlen wird."
Simone Meier schliesst in ihrem Nachruf auf watson.ch daran an: "Es gibt Menschen, denen verdanken viele andere unendlich viel. So viel, dass es gerade schwer fällt, diesen Nachruf zu schreiben. Trauer ist eine besonders gründliche Form der Überwältigung.
Röbi Rapp war einer dieser Verdienstvollen. Der zarte Coiffeur aus Zürich, der sich in Jahren, als dies gefährlich war, auf der Bühne zur Frau verwandelt und singt, dass alle betört sind." In ihrem Gang durch Röbis Leben schreibt Simone Meier auch von der Schwulenhatz in den 1950ern: "Aber so, wie die Morde in der Presse dargestellt werden, und wie die Mörder vor Gericht davonkommen, ist klar: Die Zürcher Gesellschaft hasst ihre Schwulen. Ein toter Schwuler ist krimineller als sein Mörder. Und die Lebenden werden in grossen Razzien von der Polizei verfolgt und erfasst. Auch Röbi und Ernst stehen kurzzeitig unter Mordverdacht."
In der NZZ schreibt Beat Frischknecht unter dem Titel "Ein Glückskind unter dem Regenbogen": "Diese gesellschaftlichen Missstände tatenlos hinzunehmen, war jedoch nicht Sache von Rapp und Ostertag. Gemeinsam engagierten sie sich im "Kreis", später in der neuen Schwulenbewegung und schliesslich als aktive Mitglieder des Vereins Network. Als Krönung dieses Engagements ging 2003 für Röbi Rapp und Ernst Ostertag ein grosser Wunsch in Erfüllung: Sie konnten sich als erstes Schwulenpaar im Kanton Zürich offiziell eintragen lassen. Ihre Kutschenfahrt zum Zürcher Stadthaus wurde zum Triumphzug. Die registrierte Partnerschaft empfanden die beiden auch als Wiedergutmachung für den damaligen Eintrag im Schwulenregister der Polizei. So war ihnen die Erinnerung an diese dunklen Jahrzehnte sowie an ihre Mit- und Vorkämpfer sowohl Verpflichtung als auch Herzensangelegenheit. Als rührige Mitarbeiter des Schwulenarchivs Schweiz und als Organisatoren von Ausstellungen halfen sie bewahren und erinnern, als Initianten und Autoren der Webseite Schwulengeschichte.ch schufen sie Bleibendes."
Frischknecht weiter: "Seine künstlerische Begabung, seine Offenheit und vorurteilslose Freundschaft anderen Menschen gegenüber, die mit Selbstironie gepaarte Bescheidenheit und sein liebenswürdiges Wesen wurden ihm durch die Sympathie zahlloser Mitmenschen reich belohnt. Sie schenken ihm nun einen letzten Applaus."
In der NZZ am Sonntag nimmt Urs Tremp Bezug zum Film "Der Kreis" und zur Schweizer Schwulengeschichte: "Röbi und Ernst sind nun prominent - und glücklich, dass sie noch erleben dürfen, wie die Gesellschaft sich gewandelt hat: 'Seit wir offiziell ein Paar sind, haben wir Erfahrungen gemacht, die wir uns zuvor nicht vorstellen konnten', schreiben sie im 'Beobachter'. 'Sie sind mit einem Wort zu benennen: Akzeptanz. Jetzt werden wir als Paar wahrgenommen - auch im Quartier, beim Einkaufen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf der Strasse. Wir stellen fest: Im Bewusstsein vieler Leute hat eine Veränderung stattgefunden.'"
Selbstverständlich war Röbis Tod auch in Radio und Fernsehen ein grosses Thema.
Gegenüber Telezüri erzählt Ernst Ostertag in einem Interview vom begleiteten Freitod Röbis: "Er ist in meinen Armen gestorben, einfach eingeschlafen. Das ist für mich ein grosser Trost. So selbstbestimmt, so selbstverständlich, in grosser Harmonie, so wie wir immer gelebt haben."
Das Regionaljournal Zürich-Schaffhausen lässt den Filmproduzenten Ivan Madeo zu Wort kommen: "Persönlich hat mir am meisten gefallen, welche Einfachheit in Röbi steckte, wenn sich Ernst manchmal in sehr intellektuellen Diskussionen verloren hat, sagte Röbi: Es ist doch einfach so! Er hat die Sachen beim Namen genannt und Ernst ganz bewusst widersprochen: Nei, das isch doch Seich! Er war ein ganz Gewöhnlicher. Das hat mir eigentlich am meisten bedeutet." Er fährt fort: "Es geht eine Aera zu Ende von Männern und Frauen, die in der Schweiz sehr stark kämpfen mussten und auch leiden mussten unter dem, für das sie kämpften. Also, es ist kein Witz, es ging je nachdem wirklich um Leben und Tod."
Auch die Tagesschau des Fernsehens SRF widmete sich dem Tod von Röbi Rapp. In einem Interview aus dem Archiv gibt Ernst Ostertag preis: "Ich glaube ohne die Begegnung mit Röbi wäre mein Leben so gelaufen, dass ich irgendwie vor die Hunde gegangen wäre." Der Beitrag von Benedikt Hofer fügt an: "Röbi Rapp gab seinem Umfeld Halt, weil er seine Homosexualität stets offen lebte."
Das Schweizer Fernsehen stellte an diesem Abend seine Programmation um und strahlte die Filme "Der Kreis" und "Das Menschlein Matthias" mit Röbi Rapp aus.
Auf der Website der Schweizer Illustrierten schreibt Thomas Bürgisser unter dem Titel "Nach über 60 Jahren verliert Ernst Ostertag seine Liebe" über seine Begegnung mit Röbi Rapp vor vier Jahren: "Schon damals war auch der Tod ein Thema. 2013 wäre Röbi Rapp fast an einem Herzinfakt gestorben. Sein Partner Ernst Ostertag, praktizierender Buddhist, sah es gelassen: "Ich hoffe nichts und fürchte nichts." Der Tod sei für ihn selbstverständlich. Genauso wie es die Liebe zwischen zwei Menschen sein sollte."
Mit "Trauer um einen Pionier" titelt der Tages-Anzeiger und Martin Huber schreibt: "Am 3. November wären es 62 Jahre gewesen", sagte der 88-jährige Ernst Ostertag gestern am Telefon zum "Tages-Anzeiger". Er trauert um seinen Lebensgefährten, mit dem er mehr als 61 Jahre zusammen war. Für Ostertag bleibt nach Rapps Tod "eine riesige Lücke", wie er gestern sagte. Er sei dankbar für die langjährige Partnerschaft mit einer "wundervollen Persönlichkeit". Röbi sei ein Mensch gewesen, der Harmonie brauchte und Harmonie geben konnte. "Wir haben uns immer gesagt: 'Wer von uns allein zurückbleiben muss, der hat das schlechte Los gezogen.'" Trotz des schmerzhaften Verlusts sagt Ostertag: "Es muss weitergehen. Und es geht weiter." Er sei froh, dass er und Rapp zusammen mit anderen eine Veränderung anstossen konnten, die in breiten Kreisen der Gesellschaft zu einem Umdenken in Bezug auf Homosexualität geführt habe."
Und noch ein Zitat aus dem Nachruf von Simone Meier auf watson.ch:
"Lieber Röbi, wir, die wir jetzt Zürich als eine Insel der Glückseligen wahrnehmen mit unserer lesbischen Stadtpräsidentin und allen andern, die ihre Liebe heute tatsächlich als Normalität leben können, wir wissen, dass dein Leben eine Pionierarbeit für uns war. Lieber Ernst, bitte, bleib uns trotz deines Verlusts noch ein wenig erhalten. Wir sind bei dir. Habt Dank, ihr zwei."
Literatur
Barbara Bosshard: Verborgene Liebe – Die Geschichte von Röbi und Ernst. Verlag Wörterseh, Gockhausen 2012.
Home Entertainment
Der Film "Der Kreis" von Stefan Haupt ist als Blu-ray und DVD im Handel.