Newsletter 134
Februar 2021
Diese Ausgabe enthält folgende Themen:
- "Fernes Ziel" - ein utopischer Wunsch im noch jungen Jahr 1941
- Unsere Geschichte Schritt für Schritt zugänglicher machen
"Fernes Ziel" - ein utopischer Wunsch im noch jungen Jahr 1941
eos. Thierry Frochaux berichtete in der PS Zeitung vom 8. Januar 2021 ausführlich über das im Pink Apple Festival gebotene Programm und endete mit dem Dokumentarfilm "Uferfrauen - Lesbische L(i)eben in der DDR". Dabei zitierte er den Schlusssatz des Films: " 'Was können jüngere Lesben von Euch alten lernen?' 'Zu kämpfen! Ich glaube, das wird bald wieder nötig sein. Ja, und Geschichte festhalten.' "
Ich nehme dieses Zitat, um volle 80 Jahre zurück zu gehen. Anfang 1941 hatte Nazi-Deutschland ganz Westeuropa von der spanischen Grenze bis zum Nordkap besetzt, war die Achse Berlin-Rom zum Dreierpakt mit Japan erweitert, grosse Teile des Balkans samt Rumänien angeschlossen, Griechenland als nächstes Ziel festgelegt und der Vorstoss aus der italienischen Kolonie Libyen nach Ägypten eingeleitet. Die Schweiz lag wie eine winzige Insel eingekreist von den Aggressoren. Der Rütlirapport ihres Generals Guisan gab die Städte frei und setzte die Armee in eine Alpenfestung mit dem Ziel, die Kosten eines Angriffs so zu erhöhen, dass selbst ein Führer wie Hitler den Einmarsch überdenken müsste. Die Hoffnung eines möglichen Überlebens von der Maxime zur Gewissheit wachsen zu lassen, war ein Prozess, der das ganze Volk einbezog. Und zu diesem Volk gehörte, hinter dem Tabu verborgen, auch die Minderheit der Schwulen und Lesben. Sie ganz besonders. Denn was ihnen unter Nazis oder Faschisten drohte, wussten sie von ihren Schwestern und Brüdern rundum. Einmal werden wir alle angstfrei sein! Das galt für Homosexuelle in doppelter Weise, denn ihr fernes Ziel war auch das diskriminierungsfreie Akzeptiert-sein.
Die kleine Gemeinschaft war 1932, also vor neun Jahren gegründet worden. Von Frauen. Denn das Gesetz des Kantons Zürich erwähnte Frauen nicht, während jegliche "homosexuelle Betätigung unter Männern" verboten war. Mit Decknamen gehörten Männer - sozusagen inkognito - trotzdem dazu und halfen bei der Herausgabe einer Zeitschrift, die den Namen Schweizerisches Freundschafts-Banner trug.
Bald wandelte sich die Zeit. Die Eidgenössischen Räte hatten ein erstes gesamtschweizerisches Strafgesetzbuch (StGB) geschaffen, in dem u.a. homosexuelle Akte von erwachsenen Personen über 20 Jahren straffrei wurden. Die immer noch kleine Gemeinschaft wollte sich für ein Ja bei der Volksabstimmung von 1938 einsetzen und nannte ihre Zeitschrift nun Menschenrecht, denn das bedeutete es für sie, das Recht, frei nach ihrer Art zu leben. Das StGB wurde angenommen, aber erst zu Beginn des Jahres 1942 in Kraft gesetzt. Doch die meisten Kantone sprachen ab 1938 keine Strafen aufgrund es alten Gesetzes mehr aus.
Der Krieg änderte manches. Die Männer und viele Frauen leisteten Militärdienst. Dort blieben homosexuelle Kontakte noch volle 50 Jahre lang verboten und wurden geahndet. Freizeit gab es kaum noch und der Verdienst wurde kleiner. Die Gemeinschaft schrumpfte. Die Zeitschrift musste teilweise eingestellt werden. Fast wäre das Flämmchen erloschen. Da stellte sich ein neuer Mitarbeiter zur Verfügung, der zugleich zum grosszügigen Gönner wurde. So brachte das Jahr 1940 eine Wende. Mit dem neuen Mitarbeiter erschienen französische Texte. Dafür versiegten die Beiträge der Frauen und schliesslich zogen sie sich bis auf eine ganz zurück. Im März des Jahres 1941 entwarf der Redaktor Karl Meier / Rolf - er stand nun im siebten Jahr seiner Redaktor-Tätigkeit - eine Zukunftsvision, die weit vorausschaute, wohl ungeahnt weit. Einiges davon steht auch heute noch auf dem Programm unseres Ringens um volle Gleichberechtigung im Gesetz wie in den diversen Gesellschaftsbereichen. Aber zu seinem Wunschtraum gehörte auch etwas, das er besonders lebhaft ausmalte, weil es ihm ganz nah am Herzen lag - und das wir sehr bald einweihen werden: ein Regenbogenhaus. Er nannte es bescheiden "ein eigener Raum".
Hier findet sich die Vision "Fernes Ziel"
Unsere Geschichte Schritt für Schritt zugänglicher machen
hpw. Wir sitzen derzeit notgedrungen mehr zu Hause und vertreiben uns die Zeit online. schwulengeschichte.ch ist ein fast unendlicher Fundus interessanter, oft überraschender Geschichten und er wird auch immer wieder erweitert. Die personellen und vor allem die finanziellen Ressourcen schränken uns ein, hindern aber nicht das zu tun, was möglich ist. So machen wir die Website Schritt für Schritt zugänglicher.
Die Zeittafeln gehen ihrer Vollendung entgegen. Die darin angesprochenen Ereignisse werden mit den weiterführenden Informationen auf schwulengeschichte.ch verlinkt. Demnächst werden sie auch bis in die heutige Zeit fortgeführt.
Und was geschieht mit den tausenden von Bildern in der Bildergalerie? Auch diese sind inzwischen direkt mit den dazugehörigen Geschichten auf unserer Website verbunden. Noch immer werden sie beim Anklicken vergrössert dargestellt. Neu erscheint jetzt zusätzlich zu den Metadaten der Link "Mehr lesen" und der Titel der Webpage, auf der das Bild integriert ist. So kann man sich gleich kundig machen, was es mit der abgebildeten Person, der Zeichnung oder dem Zeitungsausschnitt historisch auf sich hat.
Eine Verbesserung vor allem auch für diejenigen, die unsere Website mit einem mobilen Gerät besuchen - und das ist inzwischen die Mehrheit: Im Bereich Biografien kann jetzt am Ende jeder Seite vorwärts und zurück "geblättert" werden.
Dies sind alles Quickfixes, die ohne grosse finanzielle Aufwände realisiert werden konnten. Einige weitere Anpassungen sind in Planung. Mit eurer Unterstützung können wir diese in den nächsten Monaten in Angriff nehmen. Der Vorstand des Vereins schwulengeschichte.ch dankt allen Mitgliedern und Spendern für die kontinuierlichen finanziellen Zuwendungen. Unser Verein steht allen offen. Wir sind euch dankbar, wenn ihr eure Freunde und Bekannten auf unser Projekt und die Unterstützungsmöglichkeiten hinweist.