Schwul kämpfen
Die traumatische Erfahrung von 1961, eine straflos ausgrenzbare und erpressbare Person zu sein, machte uns beide zu militanten Verfechtern unserer Rechte. Denn die waren erst einmal so klar als normale Grundrechte in den öffentlichen Raum zu stellen, dass sie bekannt und respektiert würden.
Und das begann mit dem öffentlichen Kampf gegen die Schwulenregister und führte zu deren Abschaffung 1979 zunächst in Zürich, während der folgenden Jahre auch in anderen Städten und Kantonen. Dabei blieb immer Gandhis Vorbild bestimmend: Die Kraft der klaren Argumente wirkt wohl langsamer als jene von ultimativen Forderungen und Gewalt, aber sie ist stärker, weil sie das Ziel "Freiheit, Akzeptanz und gleiche Rechte!" nicht besudelt und zur Farce macht.
Die Befreiungsbewegung der Homosexuellen war bis heute gewaltlos. Gegen sie mussten keine Wasserwerfer, Tränengas oder massivere Mittel eingesetzt werden. Homosexuelle sind mit Fantasie und Mut vorgegangen, mit geschliffenem Mundwerk, schriller Buntheit, Selbstironie und oft auch dem Humor jener, die nichts zu verlieren haben. Ihrer jahrzehntelangen Überzeugungsarbeit war schliesslich nichts mehr entgegenzusetzen.
Das können weltweit wenige andere Gruppen unterdrückter Minderheiten von sich sagen. Die Geschichte unserer Organisationen, die Einsätze früher Pioniere, - das aufgezeichnet ergibt eine leuchtende Form von "Rechenschaft ablegen", von Geschichtsschreibung (im Sinne von Huizingas "Rechenschaft ablegen"). Sie wirkt beispielhaft und motivierend zugleich.
Ernst Ostertag, Oktober 2008