Rudolph Valentinos letzter Liebhaber
Seine ersten Aufträge in den USA erhält René Hubert bereits vor seiner Zeit mit Gloria Swanson. Das Shubert Theatre holt ihn 1923 für eine Revue nach New York. Dort lernt er den gleichaltrigen Rudolph Valentino1 kennen, der Prototyp des Latin Lovers und damals der beliebteste männliche Stummfilmstar mit einer zwielichtigen Vergangenheit. Valentino engagiert Hubert für den Film "Monsieur Beaucaire", für den auch die Designerin Natacha Rambova2, Valentinos zweite Ehefrau, ihre Hände im Spiel hat. Huberts Beitrag zum Film wird im Abspann nicht erwähnt.
Als Rudolph Valentino 1926 mit gerade mal 31 Jahren stirbt, verfiel die Welt in eine kollektive Trauer, ähnlich wie 1955 nach dem Tod des mit einem Porsche verunfallten jungen Filmschauspielers James Dean. Der polnische Stummfilmstar Pola Negri behauptete, der bei seinem Tod zweimal Geschiedene hätte ihr die Ehe versprochen. Doch was die Welt nicht wusste: Es soll René Hubert gewesen sein, der mit Valentino zuletzt liiert war. Dies will der Wiener Universalkünstler André Heller3 wissen, der Hubert 1972 in Marokko kennengelernt hat. 2006 erzählte Heller davon in einem Interview mit dem österreichischen Profil4:
"Unterwegs traf ich einen zauberhaften und etwas bizarren, sehr altmodischen homosexuellen Herrn namens René Hubert, der mit seinem marokkanischen Geliebten durch dieses gewaltige Land flanierte. Hubert war zu seiner Fabelzeit ein bedeutender Filmkostümbildner, ein Schweizer in Hollywood, der schon in den zwanziger Jahren mit Gloria Swanson gearbeitet hat, später auch mit Marlene Dietrich. Und er war der letzte Geliebte des 1926 früh verstorbenen Rodolfo Valentino gewesen. Ich schloss mich dem amüsanten Paar René und Achmed an, vor allem auch, weil sie in einem klimatisierten Mercedes mit Chauffeur reisten."
Weitere Quellen, die René Huberts Liaison mit Rudolph Valentino bestätigen, lassen sich nicht finden. Auch nicht über weitere Liebschaften von Hubert in Hollywood. Wer zu der Epoche, in denen er dort war, schwul oder lesbisch ist, hält dies geflissentlich geheim. Homosexuelle Handlungen sind in den USA noch bis 1962 verboten, in einzelnen Staaten sogar bis 2003. Wer nicht in Verdacht kommen will, "sexuelle Perversionen" zu betreiben, muss sich tarnen, um seine Karriere nicht zu gefährden. Wie viele andere tat dies Valentino, indem er Alibi-Ehen einging, sogenannte Lavender Marriages, in seinem Fall nacheinander mit zwei lesbischen Frauen. Die Arbeitsverträge der Stars in Hollywood enthielten lange Listen von Moralklauseln, die auch das Leben von Heterosexuellen stark einschränkten. Weniger unter Beobachtung standen die Filmleute hinter den Kameras, doch auch sie mussten vorsichtig sein5.
Christian Wapp, September 2020, Februar 2021
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Um den beliebtesten und bestbezahlten männlichen Stummfilmstar Rudolph Valentino (1895-1926) ranken sich viele Legenden. Bevor der Italiener in Hollywood ankam, soll er als Gärtner, Kellner und Gigolo gearbeitet haben und mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein. Zweimal war er mit lesbischen Frauen verheiratet. Für das langatmige und nicht besonders lesefreundliche Buch "Rudolph Valentino’s Men" versuchte der Autor David Bret, allen seinen Liebschaften auf die Spur zu kommen. René Hubert ist nicht dabei.
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Natacha Rambova (1897-1966) arbeitete in mehreren künstlerischen Berufen, unter anderem als Kostüm- und Bühnenbildnerin. Von 1923 bis kurz vor seinem Tod 1926 war die Amerikanerin mit russischen Vorfahren mit Rudolph Valentino verheiratet. Sie versuchte dessen Leben und Karriere zu beherrschen, wie mehrere Valentino-Biografen berichten. Sie war lesbisch und soll mehr durch Skandale als ihre beruflichen Leistungen bekannt gewesen sein.
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Alles aufzuzählen, was der Wiener André Heller (1947- ), Chansonnier, Autor, Kulturmanager, Aktionskünstler u.a. in seinem Leben geleistet hat, würde den Rahmen sprengen. Interessant ist, dass er nach seiner Begegnung mit René Hubert 1973 das nostalgische Tangolied "Rodolfo Valentino" aufnahm.
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Interview von Stefan Grissemann und Wolfgang Paterno in: Profil vom 28.10.2006, Wien
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Das geheime Leben der Stars während der goldenen Zeit Hollywoods beschreiben mehrere Bücher: Kenneth Anger, "Hollywood Babylon", Taschen Verlag, Köln, 2011. Scottie Bowers, "Full Service: My Adventures in Hollywood and the Secret Lives of the Stars", Autobiografie, Grove Press, New York, 2012, 2017 als Dokumentarfilm verfilmt durch Matt Tyrnauer: "Scotty and the Secret History of Hollywood" (erhältlich auf DVD). Vito Russo, "The Celluloid Closet. Homosexuality in the Movies", auf Deutsch: "Die schwule Traumfabrik." Bruno Gmünder, Berlin, 1990. 1995 als Dokumentarfilm verfilmt von Rob Epstein und Jeffrey Friedman.