Meister

... einer verhaltenen Erotik

Die offensichtliche Begabung Jims, einen Menschen so ins Bild zu bringen, dass etwas von seiner Geschichte sichtbar wird, weckt im Betrachter innere Zwiesprache und macht ein Antlitz, einen Körper zum lebendigen Gegenüber, zu dem man immer wieder zurückkehren mag. Auch bleibt sein Auge nie stur bei "seinen" Typen stehen, viele Bilder fangen fast scheu jenen Zauber und die Verträumtheit ein, die nur ganz jugendlichen Menschen eigen sind. Und immer ist er ein Meister der Erotik - weil er sie verschweigt und nur durch Atmosphäre wirken lässt, durch Umfeld, absichtslos erfasste Momente, im Spiel des Lichts.

An den grossen Festanlässen war er stets dabei und schoss im Treppenhaus, in den Gängen oder während der Pausen auch auf der Bühne seine Bilder, für die sich viele herbeidrängten und dann warteten, bis sie an der Reihe waren. Aber er fotografierte nicht jeden, er wählte aus.

"Während des Abends habe ich gesehen, wer aus den Programmen in Frage käme. Die habe ich in der Garderobe angesprochen und gesagt, wir machen eine kleine Show auf der Bühne. Für die im Saal war das ein Genuss, sie sahen ihre schönen Boys noch einmal. Ich habe ein Modell extra lange behalten, damit die Leute [...] ihn lange genug anschauen konnten. Einige Male gab es eine Mr. Gay-Wahl, die Modelle mussten einzeln vor die Jury treten. [...] Die Fotos der Modelle konnte man bestellen, zudem wollte der Club (der KREIS) eine Dokumentation."1

Eingeweihte blieben während der Pause im Saal sitzen, weil sie wussten, dass Jim die Bühne jetzt nutzen wird für sein Shooting mit Modell-Show.

An Mittwochabenden und besonderen Anlässen zeigte Jim gelegentlich Lichtbilder und stellte seine Fotos aus. So hiess es im Programm der Klaus-Feier vom 4. Dezember 1960:2

"Von 15-16.30 zeigt JIM seine neuen Farb-Dias: 'Die Götter Griechenlands leben noch heute'. Gleichzeitig stellt er eine weitere Sizilien-Mappe aus: 'Tage in Akragas', ferner eine weitere Folge Blue-Jeans: 'Wir Halbstarken'."

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Ernst Ostertag, Juni 2006

Quellenverweise
1

Karl-Heinz Steinle: Der Kreis: Mitglieder, Künstler, Autoren, Seite 28, Ausstellungskatalog, Schwules Museum Berlin, Heft 2, Verlag rosa Winkel, 1999

2

Der Kreis, Nr. 11/1960, Umschlag Innenseite, "Unsere Klaus-Feier"