Paris
... eine neue Situation
Die Weltstadt Paris mit ihren vielen Ablenkungen war für Nico Kaufmann alles andere, als ein Ort für diszipliniertes Üben.
"Bei Wanda [Horowitz-Toscanini] gab es noch ein Problem [...]. Ich musste ihr vorspielen, was scheinbar zufriedenstellend ausfiel. Damit war eine feste Basis für unsere Freundschaft [Nico und Horowitz] geschaffen. Eine Freundschaft, die sich bei ihm zu einer neuen Liebe entwickelt hatte. Ich erhielt bei seiner Abwesenheit wöchentlich mindestens zwei Briefe, deren sofortige Beantwortung er erwartete."1
"Den Winter 1937/38 wollte er in Paris verbringen. Er sagte Papa, dass er es für gut fände, wenn ich bei ihm in der Nähe wäre, da ich vorläufig regelmässige Kontrollen brauche. Wanda wollte nur zeitweise dort sein. [...] Für mich gab es Gelegenheit, bei Familienfreunden [...] zu wohnen. [...] Im Salon [...] stand ein guter Erhard-Flügel, auf dem ich arbeiten konnte."2
Gewisse Fortschritte machte Nico, aber sie waren in den Augen des Meisters ungenügend. In Briefen ermunterte er ihn immer wieder und mündlich wird er es noch viel deutlicher getan haben.
"Ich führte also ein nicht unbedingt seriöses Leben und vernachlässigte auch oft meine Arbeit am Klavier. Oft ging ich mit schlechtem Gewissen zum wöchentlichen Unterricht bei Horowitz.
Die Verführung der Grossstadt Paris war zu gross, meine jugendliche Vitalität zu stark [...]. Trotz meiner nicht überaus intensiven Arbeit hatte ich doch die f-Moll Ballade von Chopin einigermassen im Griff. So verlangte Horowitz, dass ich diese Wanda vortrage. Ungern und mit viel Lampenfieber, denn ich war mir bewusst, dass dies ein entscheidender Moment für ein Weiterstudium und unsere Freundschaft war, tat ich dies an einem Nachmittag. Scheinbar war es so zufriedenstellend, dass Wanda mich zum gemeinsamen Nachtessen einlud."3
Ernst Ostertag, Juni 2006
Quellenverweise
- 1
Nico Kaufmann: Memoirenfragmente, "Vladimir Horowitz, Idol - Lehrer und Freund", Seite 14
- 2
Nico Kaufmann: Memoirenfragmente, "Vladimir Horowitz, Idol - Lehrer und Freund", Seite 14
- 3
Nico Kaufmann: Memoirenfragmente, "Vladimir Horowitz, Idol - Lehrer und Freund", Seite 15