1956
"Die Halbstarken"
... wieder ein Stück von James Barr
1956 wurde das Herbstfest vom 6./7. Oktober zum Grossanlass der Superlative. Mehr als 600 Besucher trafen sich im zweiten Stock, wo anfänglich ein heilloses Gedränge herrschte. Denn der erste Stock stand nicht zur Verfügung, wie sonst üblich. Nach 20 Uhr fand schliesslich jeder seinen Platz und die "Kapelle Walter" eröffnete ihr "Jubiläumsspiel". Zehn Jahre lang hatte sie nun alle Anlässe begleitet.
In der Oktober-Ausgabe des Kreis gab es etliche Rückblicke. Abonnent Nr. 3108 schrieb1:
"[...] Nach der traditionellen Lampion-Parade erfolgte [...] eine Stunde vor Mitternacht die Uraufführung eines Einakters, den Rolf und Rudolf nach einer Prosa-Skizze von James Barr geschrieben hatten. Vielleicht noch stärker und sicher vielfarbiger als das Stück im Vorjahr gab der Vorhang eine Welt frei, in der im Ausschnitt so vieles uns Bewegendes zur Sprache und Darstellung kam. Was Rolf aus seiner kleinen Spielerschar herausgeholt hatte, liess die volle Spannung dieses Kriminalstückes 'Die Halbstarken' [...] entstehen. [...]"
Diese Prosa-Skizze mit dem Titel "Death in a Royal Family" erschien ebenfalls im Oktober-Heft in Rudolf Jung /Rudolf Burkhardts Übersetzung2.
Es war das erste Fest, das ich (Ernst Ostertag) im KREIS erlebte. Das Bühnengeschehen fasse ich aus der Erinnerung zusammen:
Die Rollen und ihre Darsteller:
- Johnnie Brown, alternde Tunte
Richard Frick
- Jim Brandon, junger Bursche
"Bodo", deutscher Schauspieler
- Willie Finch, Maler
"Rolf" / Karl Meier
- Mrs. Harvey, Freundin
Röbi Rapp
Johnnie Brown ist eine steinreiche, zynisch-bissige "Queen", die das Älterwerden nicht erträgt. (Daher der Originaltitel "Death in a Royal Family".) Johnny treibt den jungen, aus schwierigen Verhältnissen stammenden bildschönen Jim Brandon bewusst und mit einem faulen Trick dazu, dass er aus Verzweiflung auf ihn schiesst.
Jim tut dies, obwohl - oder gerade weil - er diesen Mann aus der Oberschicht liebt. Johnnie hingegen will den Burschen, den er bezahlt, nur wie einen Sklaven an sich binden. Und als er merkt, dass ihm dies nicht gelingt, inszeniert er aus Rache eine Diebstahlgeschichte, um Jim als Täter zu überführen und der Polizei auszuliefern.
Jim hingegen beginnt das böse Spiel zu durchschauen. Das verletzt und erschüttert ihn derart, dass er den von Johnnie bereitgelegten Revolver ergreift. Unabsichtlich löst sich der tödliche Schuss.
Willie Finch ist ein Maler und Freund von Johnnie. Ihm steht der Junge Modell. Mrs. Harvey, eine Freundin der beiden älteren Herren, ist eben dahinter gekommen, dass auch Willie ein Verhältnis zum Jungen hat. Das will sie jetzt gründlich stören und beenden.
Am Schluss bleibt Jim allein zurück. Alles, was ihm ein wenig Leben an der Sonne bedeutet hatte, ist zerbrochen. Er zeigt sich selbst der von Johnnie noch im Glauben an seine Intrige herbeigerufenen und nun eintreffenden Polizei an, während Willie wie gelähmt zuschaut und die Harvey triumphiert.
Der Abonnent Kurt Stäheli schrieb dazu3:
"[...] Jim Brandon, simpler Bursche, aus zerstörten Familienverhältnissen, in einem gefährdeten Leben zum Mörder werdend am Menschen, den er am tiefsten liebte: 'Ein jeder tötet, was er liebt', ist der tragende Charakter [...], dessen Lebensschicksal uns zutiefst, auch durch die Darstellung, ergriffen hat. Welche Fülle auch in den ihn umgebenden Figuren, dargestellt von einem kleinen, restlos begeisternd sich einsetzenden Ensemble, aus dem vor allem die Träger der Hauptrollen überzeugten.
Wer wird je die schamlose Diffamierung vergessen, die eine 'Dame der Gesellschaft' dem Maler Willie und dem jungen Jim ins Gesicht schleudert, eine Megäre. [...] Und wie gespielt - mit der Verve eines überzeugenden female impersonators. Neben den bereits Erwähnten [...] stehen Johnnie und Willie, die beiden Freunde - beide in ihrer Darstellung ausgezeichnet. [...]"
Ernst Ostertag, Mai 2005
Weiterführende Links intern
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 10/1956, Seite 3
- 2
Der Kreis, Nr. 10/1956, Seite 5 ff
- 3
Der Kreis, Nr. 10/1956, Seite 4