1949
Jeder kann mitmachen!
... im neuen Lokal
Die Sommer- und Herbstfeste fanden jedes Jahr als gross angelegte Bälle statt und dauerten bis in die Morgenstunden. Sie waren jedoch weit mehr als ein üblicher Ball, denn sie boten - und das wurde im Heft oder Kleinen Blatt angekündigt und wettbewerbsmässig ausgeschrieben - allen Abonnenten die Möglichkeit zur Betätigung und Darbietung ihrer schauspielerischen, gesanglichen, tänzerischen und/oder kabarettistischen Talente vorn auf der Bühne und vor grossem Publikum.
Auf diese Veranstaltungen hin wurde wochenlang intensiv recherchiert, geschrieben, auswendig gelernt, geübt, geprobt. Jede Produktion musste angemeldet werden und Karl Meier / Rolf sah sich alle an, auch die Kostüme. Er korrigierte, gab Ratschläge und leitete schliesslich die letzten Proben und die Generalprobe selbst.
Unter seiner Regie erarbeitete die Theatergruppe auch Stücke mit homoerotischem Inhalt. Fast immer gelangten Autoren und Texte zur Aufführung, die nirgendwo sonst eine Bühne und ein wirklich interessiertes Publikum fanden. Gelegentlich waren es amerikanische Schriftsteller, Dichter oder Dramatiker, deren Stücke vorher von Rudolf Jung / Rudolf Burkhardt übersetzt und bisweilen in der Zeitschrift publiziert wurden.
Für die Sommer- oder Herbstfeste gab es seit 1942 eine Tradition. Doch im wesentlich grösseren Saal der "Eintracht" blieb der Erfolg anfänglich aus, obschon 1949 das "Sommerfest vom Sonntag, 14. August" ab 15 Uhr mit ausführlichem Programm und Angaben der letzten Zugverbindungen bis Chur, St. Gallen, Basel, Genf und so weiter beworben wurde1. "Rolf und seine Mitarbeiter" beklagten sich im September2:
"[...] Aus dem Besuch des Sommerfestes ist keine erhoffte Völkerwanderung geworden, sondern nur ein magerer Sonntagnachmittag-Spaziergang. Der grosszügige Wirt hat uns zwar die Hälfte der Saalmiete erlassen [...], aber die Abrechnung weist doch ein Defizit von Fr. 77.30 aus. Nicht tragisch, aber auch nicht unbedingt notwendig! [...] Aus dem Ausland gab es hingegen zahlende Besucher, die sich für Reisen, die dreimal durch die Schweiz gehen, seit Monaten das Geld zusammengespart haben, um ein paar Stunden unter ihresgleichen zu sein… [...]"
Dafür gelang das Herbstfest vom 23. September 1950 bestens und wurde zum grossen Erfolg3.
Ernst Ostertag, Mai 2005
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 8/1949, Kleines Blatt
- 2
Der Kreis, Nr. 9/1949, 2. Umschlagseite
- 3
Der Kreis, Nr. 9/1950, Kleines Blatt, Ankündigung. Der Kreis, Nr. 10/1950, Umschlag, Kurzbeschrieb