Herbstfest-Theater
"Der Elefant im Porzellanladen"
Das Herbstfest vom Samstagabend, 5. Oktober 1957 sollte ungetrübt fröhlich sein und mit einem guten Bühnenprogramm aufgelockert werden. Alle Reden und Gratulationen waren auf den Sonntag angesetzt. Rudolf Jung / Rudolf Burkhardt hatte den Schwank "The Elephant in the China Shop" von Stornoway übersetzt und mit Karl Meier / Rolf zusammen zu einem Einakter ausgebaut, der unter dem Titel "Der Elefant im Porzellanladen" von sieben Mitgliedern der Theatertruppe unter Karl Meiers Regie einstudiert wurde.
Die Geschichte dreht sich um die Party einer Gruppe homosexueller Schauspieler, alles tuntige, hochnäsig-arrogante oder kühl-berechnende Typen. Sie treffen sich im eleganten Londoner Heim eines alten Theaterhasen und Regisseurs und seines jugendlichen momentanen Lovers. Einer von ihnen bringt als persönlichen Gast den am Tag zuvor in den Docks aufgelesenen jungen "Freund" mit, einen Naturburschen und Seemann aus Stornoway, einem Fischerhafen auf der nördlichsten Insel der Hebriden.
An diesem besonderen Mann zerbricht die Fassade aller anderen auf unterschiedliche Weise. Es entstehen groteske Rivalitäten. Der Gast bleibt in der ihm fremden Gesellschaft natürlich und sich selbst, also unkonform und immer wieder unabsichtlich beleidigend. Bald einmal wollen sie ihn rausschmeissen, doch gleichzeitig buhlen sie um ihn - auf schlecht verborgene Art oder mit offener Intrige. Das Ganze schaukelt sich hoch, wird zur bissigen Satire, die im theatralischen Wirrwarr und mit einem grossen Eklat endet. Diesen nutzt der Seemann kurzentschlossen, um, eine Whiskyflasche im Arm, die Szene unbemerkt zu verlassen.
Ein Stück voller Wortwitz und Selbstironie, das vom Publikum begeistert aufgenommen wurde, denn von Gelächter und Zurufen unterbrochen, konnten wir oft kaum mehr weitermachen.
Wenn man das Stück heute liest, wirkt es trivial. Aber dieser Schwank, wie so viele andere auch, bezog Tempo und Feuer seiner Pointen aus der Art, wie er über die Rampe zündete. Während der Proben sind ständig zusätzliche Bonmots entstanden, haben sich neue Situationen ergeben, die sofort eingefügt wurden - wir (die ganze Truppe) waren begeistert; den Hauptspass hatten wir selbst1.
Den Matrosen gab Karlheinz Weinberger / Jim (auf dem Bild stehend, Mitte, mit Pfeife), es war sein erster und einziger Bühnenauftritt, während Richard Frick (links von ihm) jenen Gast darstellte, der den Matrosen mitbrachte. Den Hausherrn und Regisseur spielte Eduard Meyer / André (rechts neben dem Matrosen), seinen Liebling verkörperte René Weber / René (links aussen, sitzend) und die übrigen Partygäste waren Carl Zibung (über dem Liebling), Röbi Rapp (sitzend, rechts aussen) und Ernst Ostertag (neben ihm, stehend).
Auch für mich (Ernst Ostertag) war es die erste Bühnenerfahrung, als Mohrenkönig kam an Weihnachten 1958 eine zweite hinzu, dabei blieb es; Rolf nahm mich zum Hilfsregisseur und wies mir die Begrüssung der Englisch sprechenden Gäste am Jubiläumsfest und an späteren Anlässen zu. In diesen Rollen fühlte ich mich wesentlich wohler.
Ernst Ostertag, Juni 2005
Weiterführende Links intern
Quellenverweise
- 1
Eine Textkopie ist dem Fotoalbum "Herbstfest 1957" beigelegt, das wir (Röbi Rapp und Ernst Ostertag) dem Schwulenarchiv Schweiz sas übergaben